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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Fünf Historiker hatten ihn beschrieben. Wo war dann das Motiv?
    Etwas Neues war allerdings ans Licht gekommen: die Konflikte und Lügen Manethos. Michaela hatte bestätigt, was Theon geschrieben hatte. Unter welchen Konflikten hatte Manetho gelitten? War es der Druck von Ptolemaios II.? Nein. Manetho war Hohepriester von Heliopolis, und wahrscheinlich hatte er Ptolemaios II., einen Eroberer, der sich anmaßte, den Thron des Sohnes von Horus zu besteigen, insgeheim gehasst. Manethos Lügen mussten einen anderen Grund haben. Der Eid, den Manetho als Initiierter der Schule der Mysterien Thoths geleistet hatte?
    Wo könnte er die Unwahrheit gesagt haben? Über Osarsiph, den Priester von Heliopolis? Wer war dieser Osarsiph? Warum hatte er seinen Namen in Moses geändert? Wer war dieser Moses wirklich? Welches Geheimnis verbarg sich hinter dem wahren Moses?
    Er lehnte den Kopf an die Büste von Ramses II., dem Großen. Was meinst du? Mache ich alles unnötig kompliziert? Sein Archäologieprofessor hatte immer das Prinzip von Ockhams Rasiermesser zitiert: »Denkt an Ockham: ›Von zwei möglichen Lösungen eines Problems ist die einfachere meistens die richtige.‹«
    Tja. Die einfachere. Das sagte sich so leicht.

    Die Zwischentür zu Cleas Büro öffnete sich, und die Klänge der Kleinen Nachtmusik verbreiteten sich im Zimmer.
    »Hat Salome dich schon wieder geärgert?«, fragte Clea auf Griechisch, mit dem Kopf auf die Tür weisend. Cleas Kinn deutete auf eine willensstarke Persönlichkeit hin, ihre weißen Haare waren kurz geschnitten, sie trug eine randlose Brille.
    Sie blieb vor dem Schreibtisch stehen, steckte ein dünnes Stäbchen in einen hölzernen Ständer und hielt ein brennendes Streichholz an seine Spitze. Ein Rauchfaden stieg in die Luft, und das Zimmer füllte sich mit Weihrauchduft.
    »Bei Stress geht nichts über Räucherduft.«
    »Ich hätte sie gleich am ersten Tag erwürgen sollen, als man sie mir vor fünf Jahren aufgehalst hat«, sagte Théo auf Griechisch, »dann wäre ich heute wenigstens schon im offenen Vollzug.«
    »Ich mache mir gerade einen Aufguss aus Pfefferminze, Lindenblüten und Eisenkraut. Ich bringe dir eine Tasse.«
    »Ein schöner starker Kaffee wäre mir lieber.«
    »Nein, kein Kaffee.«
    »Na gut, bring mir den Tee. Dich hätte ich vor fünf Jahren auch erwürgen sollen.«
    »Derselbe Humor wie dein Vater, Gott hab ihn selig. Aber du bist zum Glück aus anderem Holz geschnitzt.« Clea machte eine finstere Miene, und ihre Stimme wurde dunkel. »Obwohl du alles tust, um das zu verstecken.« Sie verschwand in ihrem Büro.
    Clea war die engste Freundin seiner Mutter gewesen. Sie waren in Kos zusammen aufgewachsen und zusammen nach Paris gegangen, um an der École Supérieure des Arts Malerei zu studieren. Es war zum Teil ihr zu verdanken, dass seine Mutter die Kraft gefunden hatte, all die Jahre lang durchzuhalten und weiterzumachen. Als Clea Witwe wurde, hatte er ihr diese Arbeit angeboten.
    Sein Blick folgte dem Rauchfaden, der sich in der Luft auflöste. Auch Alexia hatte eine Vorliebe für Aromatherapie gehabt, immer wehte ein Duft ätherischer Öle durchs Haus. Wie damals, an jenen Abenden.

    »Ich bin es leid, Edmond, verstehst du?«, sagte Alexia. Das Geräusch einer Zeitung, die auf den Tisch geschlagen wurde, drang vom Wohnzimmer in den Flur.
    Er lag zusammengekrümmt im Bett und hielt sich die Hände über die Ohren. Nein! Nicht schon wieder!
    »Und ich bin deine albernen Eifersuchtsszenen leid! Als wüsstest du nicht, wie Journalisten sind. Das war nur eine Bewunderin.«
    »Ja, natürlich. Wie die in London, die andere in Los Angeles und der ganze restliche Harem. Ganz zu schweigen von dem, was die Boulevardblätter schreiben. Deine Bewunderinnen sehen alle aus wie Marilyn Monroe, sind alle schrecklich aufdringlich und verrückt nach Brahms, stimmt’s?«
    »Verschone mich mit deinem Sarkasmus. Das ist nicht gerade eine Stärke von euch Griechen.«
    »Denkst du denn nicht an deine Söhne? Glaubst du, sie wissen es nicht? Ahnst du nicht, was sie sich in der Schule anhören müssen?«
    »Oh, großartig. Jetzt kommt die übliche Erpressung mit den Kindern. Diese Frauen!«
    Die Eingangstür schlug zu. Aus dem Wohnzimmer drang das erstickte Weinen seiner Mutter. Er sprang aus dem Bett, lief ins Wohnzimmer und schlang die Arme um ihren Hals. Er musste damals zehn Jahre alt gewesen sein.

    Die Kämpfe waren jahrelang weitergegangen. Sein Vater war zunehmend häufiger und länger

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