Curia
Clos du Mesnil und strich sich über die Narbe im Gesicht. Altgriechischkenntnisse waren noch das geringste Problem. Er brauchte hombres de confianza . Wer noch, außer Pater Pinkus? Die Villa Tevere war wie der Vatikan, dort wimmelte es von Judassen, die sich für weit weniger als dreißig Silberlinge verkaufen würden. Es musste jemand von außen sein, jemand, der nicht allzu pingelig war.
Die Motoren heulten auf, der Rumpf knarrte, und die Gulfstream hob von der Piste ab. Guzman öffnete die Augen: Der Abrahamsbund . Aber natürlich. Das alte Bündnis zu dritt, die Hilfsgesellschaft auf Gegenseitigkeit. Er leerte die Champagnerflöte und versenkte sich in die Lektüre von Die Kunst des Krieges von Sun Tzu.
In einem schwarzen Rock und Sonia-Rykiel-Bluse mit großen blauen Blumen ging Raisa am Brunnen des Place de la Sorbonne vorbei, schlängelte sich zwischen den Tischen des L’Ecritoire hindurch und betrat das Café.
Constance war schon da. Sie saß vor einem Kelch mit Rosé-Champagner und rauchte eine Zigarette. Ihre Spitzenbluse ließ die Farbe des Büstenhalters mehr als erahnen, auf die Blicke von den Nachbartischen achtete sie nicht.
»Du glaubst nicht, was ich entdeckt habe«, flüsterte Constance strahlend.
Raisa bestellte den gleichen Champagner. »Los, erzähl.«
»Erinnerst du dich an unsere Studie über Salomons Schlüssel , diesen antiken Text mit magischen Ritualen?« Constance zeigte ihr eine Fotokopie, auf der Quadrate mit fünf mal fünf Feldern voller Zahlen sowie lateinischen und hebräischen Buchstaben zu sehen waren.
»Natürlich. Warum?«
»Also, ich habe ein Buch aus dem Jahr 1458 entdeckt, das Salomons Schlüssel ähnelt. Weißt du, wie der Titel lautet? Die Heilige Magie des Abra-Melin .«
Es gab eine alte handschriftliche Version des Buches auf Französisch, eine Übersetzung des hebräischen Originals, die in der Bibliothèque de l’Arsenal in Paris aufbewahrt wurde. In diesem Buch enthüllt Abra-Melin seinem Sohn die Geheimnisse der kabbalistischen Rituale. Er stützt sich dabei auf eine zahlensymbolische Interpretation der Bibelworte, auf Formeln wie jene des Sator-Quadrats, und entschlüsselt die magischen Zahlenquadrate mithilfe der Gematrie, also der Übereinstimmung zwischen den Zahlen und den Buchstaben des hebräischen Alphabets.
»1897 übersetzte der englische Esoteriker Mathers die französische Fassung des Buches ins Englische und deutete das Sator-Quadrat mithilfe der gematrischen Logik«, berichtete Constance.
Sie zeigte mit ihrem Montblanc auf ein Quadrat aus fünfundzwanzig von 1 bis 25 nummerierten Feldern. Die Anzahl der Felder entsprach den Buchstaben der Sator-Formel. Dann zeigte sie auf ein zweites Quadrat aus fünf mal fünf Feldern, in das Mathers von oben nach unten die fünf Wörter der Formel eingetragen und ins Hebräische transliteriert hatte. Außerdem hatte er herausgefunden, dass Vers 72,8 des Buchs der Psalmen aus denselben 25 Buchstaben bestand wie die Sator-Formel. Als er diese Buchstaben in ein Quadrat schrieb und mit der Symbolik der Gematrie in Zahlen überführte, erhielt er ein Quadrat mit Zahlen von 1 bis 25, allerdings nicht in der richtigen Reihenfolge.
»Das so hergestellte Quadrat nannte Mathers ›Magisches Quadrat der Venus‹«, Constance wies mit dem Stift darauf. »Es ist dieses hier.«
Raisa blickte zwischen dem Magischen Quadrat der Venus und dem Sator-Quadrat hin und her. »Wenn ich richtig verstanden habe, erhielt Mathers ein Anagramm, das das hebräische Gegenstück zur lateinischen Version des Sator darstellt, dem aber nicht mehr die Zahlenfolge von 1 bis 25 entspricht. Ja, das Ergebnis ist faszinierend, aber ich sehe nicht, worauf du hinauswillst.«
»Warte. 1986 studierte ein gewisser Grad, ebenfalls Esoteriker, das Quadrat der Venus und machte eine erstaunliche Entdeckung.«
Die Summe der Zahlen in jeder Zeile, Spalte und Diagonale war stets 65, die Summe der beiden Zahlen an den Enden der Diagonale war 26, und die Zahl in der Mitte war 13, also die Hälfte von 26.
»Grad hatte einen kabbalistischen Code aus den Zahlen 65, 26 und 13 entdeckt«, sagte Constance in verschwörerischem Ton.
»Was ist die kabbalistische Bedeutung der drei Zahlen?«
»Die 65 steht zahlensymbolisch für das Wort ›Adonai‹ und die 26 für das Wort ›Jahwe‹, während die 13 in der Mitte dem Wort ›Ahod‹ entspricht, was im Hebräischen ›ein‹ bedeutet. Aber es gibt noch mehr Überraschungen. Grad berechnete die Summe der
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