Curia
wäre zu so etwas imstande, wenn nicht der Antiquar aus der Rue des Capucines?
»Bitte wachen Sie auf, Mister.«
Eine Hand berührte seine Schulter, und Théo öffnete die Augen. »Ja? Was ist?«
»Wir landen gleich«, sagte die Stewardess. »Bitte schnallen Sie sich wieder an.«
12 Der Kellner führte Monsignore Guzman an einen Tisch des Restaurants La Scala. Angus Pendergast erhob sich mit einem strahlenden Lächeln.
Der Amerikaner war kahlköpfig und feist. Er trug eine Fliege und eine rot-gelb karierte Weste. Das wird so leicht, wie die Absolution zu erteilen, dachte der Monsignore, während er ein Barrakuda-Lächeln aufsetzte.
»Monsignore, ich würde gerne mehr über Ihr Projekt erfahren«, sagte Pendergast, nachdem sie bestellt hatten.
»Wie Sie wissen, Pendergast, ist die Sammlung alter religiöser Handschriften des Vatikanischen Geheimarchivs einzigartig auf der Welt.«
Der Vatikan habe beschlossen, die Schätze des Archivs zu erhalten, wozu er der Menschheit gegenüber verpflichtet sei, erklärte der Monsignore. Geplant sei der Aufbau einer digitalen Bibliothek der Handschriften, und in Anbetracht der ausgezeichneten Arbeit des ABMC bei den Schriftrollen vom Toten Meer und dem Athos-Berg-Projekt wolle der Heilige Stuhl sich der Erfahrungen des ABMC bedienen.
»Wunderbar, Monsignore.« Pendergast rieb sich die Hände. »Der Verwaltungsrat wird begeistert sein. Aber warum beschäftigt sich das Opus Dei mit dieser Sache? Oh, entschuldigen Sie bitte, ich möchte nicht aufdringlich sein.«
»Durchaus nicht, lieber Pendergast. Ich selbst habe mit Seiner Heiligkeit gesprochen, und da wir angeboten haben, die Sache zu finanzieren, hat der Heilige Vater mich gebeten, erste Kontakte zu knüpfen.«
»Eine Initiative, die dem Opus Dei wahrhaft Ehre macht. Ich habe Ihnen für morgen Vormittag elf Uhr ein Treffen mit dem Direktor des ABMC organisiert.«
» Excelente . Doch erlauben Sie mir, Ihnen schon jetzt ein paar Fragen nach dem Projekt auf dem Berg Athos zu stellen. In diesen Bibliotheken lagern über zwanzigtausend Handschriften.« Der Monsignore nahm die Flasche Chardonnay und füllte Pendergasts Glas. »Sicher hat das ABMC eine Menge Techniker dorthin geschickt, ich meine, um die Fotos zu machen.«
Pendergast bestrich eine Scheibe Brot mit Butter. »Nein, das ABMC hat keinen einzigen Mitarbeiter geschickt.«
»Keinen? Und wer macht die Fotos?«
»Ach so, ich verstehe. Das ist ein Missverständnis. Offenbar wissen Sie nicht, dass das Projekt eine Zusammenarbeit zwischen dem ABMC und dem Patriarchalischen Institut für patristische Studien in Thessaloniki ist.«
Pendergast erklärte dem Monsignore, dass das Patriarchalische Institut in jahrelanger Arbeit bereits alle Handschriften fotografiert und die Fotos auf Mikrofilm gespeichert hatte. Das ABMC hatte mit dem Institut vertraglich vereinbart, dass es diese Mikrofilme für den Aufbau seines digitalen Archivs nutzen konnte.
»Ich verstehe«, sagte der Monsignore.
Wut stieg in ihm auf. Der Präfekt des Geheimarchivs! »Vergebung ist eine Eigenschaft der Starken«, hatte Gandhi gesagt. Aber er war nicht Gandhi, und wenn er nach Rom zurückkam, würde er ihm gehörig in den Arsch treten.
»Das ist ärgerlich.« Der Monsignore zerdrückte eine Knabberstange in der Faust. »Ich wollte unbedingt mit jemandem sprechen, der die Fotos gemacht hat. Wissen Sie, ich möchte eine Vorstellung von der Planung dieser Arbeit bekommen. Dann werde ich wohl nach Thessaloniki fahren müssen.«
»Das ist nicht nötig. Sie haben Glück, Monsignore. Einer der Direktoren des Patriarchalischen Instituts, Doktor Kostas, ist gerade zu Besuch bei uns. Er hat das Athos-Berg-Projekt geleitet. Möchten Sie ihn sprechen?«
Der Monsignore schenkte Pendergast erneut Wein nach. »Wäre morgen um neun Uhr zu früh?«
Als Guzman die Aula des ABMC betrat, blickte Cyril Kostas von einem Buch auf und erhob sich. Oye ! Dieselben Augen wie Ottolenghi.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Monsignore?«
»Zunächst würde mich interessieren, wie Sie die Arbeit auf dem Berg Athos organisiert haben. Ich muss mir eine Vorstellung vom Arbeitsaufwand machen, der auf das Archiv zukommt.«
»Keine Sorge. Der Arbeitsaufwand ist nicht groß.«
Der Monsignore musterte Kostas prüfend. In diese Augen zu blicken war, als liefe man auf einem zugefrorenen See Schlittschuh und müsste fürchten, jeden Moment einzubrechen.
»Wahrscheinlich bergen die Klosterbibliotheken auf Athos jetzt keine
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