Curia
ihn, ob die BPH von einem anderen Lehrer weiß, außer den dreien.«
»Versuchen wir’s.«
Sie kehrten zum Informationstresen zurück und fragten das Mädchen, ob sie mit dem Leiter des Archivs sprechen könnten. Sie verschwand in einem Büro und kam in Begleitung eines spindeldürren Mannes mit wässrigem Blick und grau melierten Haaren, die ihm bis auf die Schultern fielen, zurück. Raisa erklärte ihm, wonach sie suchten.
»Worum geht es bei dieser Recherche?«
»Um die esoterischen Studien von Pico della Mirandola«, sagte Raisa.
»Brauchen Sie das für eine Doktorarbeit?«
»Es ist eine Recherche für unsere Loge.«
»Sie verlieren nur Ihre Zeit.« Der Mann wandte sich ab. »Keiner der drei hat je esoterische Werke geschrieben.«
»Sie haben eine Sammlung von Inkunabeln«, sagte Constance. »Sind Sie wirklich sicher, dass sich auch dort nichts findet?«
»Ich sagte es bereits. Wir haben nichts dergleichen.« Unruhig ließ der Archivar seinen Kugelschreiber vor- und zurückschnappen. »Warum versuchen Sie es nicht in der Medicea Laurenziana in Florenz?«
»Sind alle Bücher der BPH im Katalog verzeichnet?«, fragte Raisa.
»Alle.«
»Das mit der Medicea ist eine gute Idee.« Raisa trat Constance auf den Fuß. »Vielen Dank für den Hinweis.«
Raisa hakte Constance unter und zog sie zum Ausgang. Sie spürte den Blick des Archivars im Rücken.
Kaum waren sie draußen, blieb Raisa stehen. »Der ist verlogener als Judas, und in solchen Sachen irre ich mich nicht.«
»Sein Verhalten sagte schon alles.«
»Dieser Ton, dieser ausweichende Blick … und dann die Aufforderung, es in der Medicea zu versuchen. Er wollte uns loswerden. Ich würde sagen, wir gehen wieder rein und dann gleich in den dritten Stock, wo die Inkunabeln stehen.«
»Aber Chérie! Wenn sie wirklich etwas zu verbergen haben, stellen sie es dann deiner Meinung nach gut sichtbar auf einem Regal aus?«
»Man weiß nie.«
Während sie noch darüber diskutierten, wie sie in den dritten Stock gelangen konnten, ohne die Bibliothekarin auf sich aufmerksam zu machen, näherten sich Stimmen von der Bloemgracht. Raisa drehte sich um. Eine Gruppe von Frauen in grellfarbigen Kleidern, die mit amerikanischem Akzent sprachen, tauchte in der Straße auf. Angeführt wurden sie von einem langen, dürren Menschen in einem grauen Anzug mit Schlips, der ein schwarzes Buch in der Hand hielt, allem Anschein nach eine Bibel.
»Ein protestantischer Pastor«, sagte Raisa.
Als die Gruppe vor dem Eingang der Bibliothek angekommen war, sagte der Pastor »Follow me, girls« und verschwand hinter der Tür.
»Los, hinterher«, sagte Raisa.
»Wir folgen ihnen? Warum?«
»Weil wir so vielleicht in den dritten Stock kommen.«
Sie schlossen sich an. Die Gruppe hielt vor dem Informationstresen, wo eine Frau mit dem energischen Auftreten einer Oberschwester das junge Mädchen abgelöst hatte. Auf dem Schildchen am Kragen ihrer Jacke stand »Waldberta«. Die Bibliothekarin telefonierte.
Ein Mann mit silbergrauen, nach hinten gekämmten Haaren mit Nadelstreifenanzug und Goldrandbrille kam der Gruppe entgegen. Er drückte dem Pastor die Hand und begrüßte ihn in akzentfreiem Englisch.
»Das muss der Direktor sein«, flüsterte Raisa.
Ein harter Zug um den Mund und ein strenger Blick. Ein Gesicht, das im Gedächtnis blieb und einen unbehaglichen Eindruck hinterließ. Der Mann eilte hinter den Tresen, öffnete ein Schränkchen und nahm zwei Schlüssel von ihren Haken. Raisa prägte sich die Lage der beiden Haken ein.
»Guck dir das an, Chérie, falls du dir irgendeine Tollkühnheit einfallen lassen solltest.« Constance wies auf einen Tisch im rechten Winkel zum Informationstresen. Mehrere Bildschirme übertrugen Bilder von Besuchern in den verschiedenen Stockwerken. Das hatte gerade noch gefehlt. Sie stellte sich mit Constance in die Schlange der Amerikanerinnen vor der Garderobe, wo die Taschen aufgegeben werden mussten.
»Unsere Handys behalten wir bei uns.« Raisa öffnete ihre Handtasche.
»Warum?«
»Sie könnten nützlich sein.«
»Wozu?«
»Pst! Komm weiter.«
Der Direktor führte die Gruppe zu einer Wendeltreppe, Raisa und Constance schlossen sich an. Nachdem sie im ersten Stock die Säle für kabbalistische und esoterische Literatur und im zweiten die für seltene Bücher besichtigt hatten, führte der Direktor sie in das dritte Stockwerk.
»Dies ist der Saal mit den Inkunabeln, der Stolz der BPH .« Der Direktor öffnete eine Tür aus dickem
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