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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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werfen.«
    »Beweise, immer nur Beweise! Du bist so besessen davon, dass du das Offensichtliche vernachlässigst.«
    »Ach, wirklich? Lass hören. Was ist denn so offensichtlich?«
    »Eine Verbindung zwischen dem Geheimnis um den Exodus und dem der Mysterienschule, von der Theon spricht.«
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    »Du bist überzeugt, dass der wirkliche Exodus, der sich hinter der biblischen Geschichte verbirgt, die Flucht Echnatons und der Anhänger Atons ist, und das ist deiner Meinung nach das Motiv. Habe ich recht?«
    »Es ist durchaus möglich. Und weiter?«
    »Hinter dem Geheimnis des Exodus – ich spreche von der Flucht Echnatons – könnte sich stattdessen ein anderes Geheimnis verbergen, etwas, was gewisse Leute unbedingt geheim halten wollen. Und das könnte das eigentliche Motiv sein.«
    »Das ist nur eine Hypothese, eine ziemlich vage obendrein.«
    Aber nach der letzten Begegnung mit Michaela hatte er selbst schon an so etwas gedacht. Die Schlussfolgerungen seiner Doktorarbeit kamen ihm in den Sinn. Hatte es etwas mit dem Licht zu tun?
    »Dies hier ist jedenfalls keine Hypothese.« Raisa zeigte auf die Tarotkarte, dann nahm sie den Eisbeutel von ihrer Wange. »Und das hier auch nicht.«
    Sie nahm die Pistole und steckte sie in ihre Handtasche.

    IUNU, TEMPEL DES RA, ZWEITES JAHR DER REGENTSCHAFT AMENHOTEPS IV.
    Im Halbdunkel des Thronsaals im Tempel der Seele flackerten die Flammen aus zwei Alabasterleuchtern zu beiden Seiten einer Statue des Ra und warfen tanzende Reflexe auf den glänzenden Basalt der Statue – eine menschliche Figur mit einem Falkenkopf, gekrönt von einer gelben Sonnenscheibe.
    Vor der Statue des Gottes hockte Nepher auf einer Papyrusmatte. Seine Augen waren geschlossen, der Rücken gerade, die Hände zum Gebet zusammengelegt. Sein Haupt war rasiert wie das der Priester, und er trug nur einen leinenen Lendenschurz.
    »Hoheit, der Morgen graut.« Meryre blieb hinter ihm stehen, in der einen Hand eine Papyrusrolle, den Stock mit dem goldenen ankh in der anderen.
    Nepher verneigte sich tief vor dem Gott und stand auf.
    »Hast du dich fleischlicher Beziehungen enthalten?«
    »Ich habe mich enthalten.«
    »Hast du die ganze Nacht im Gebet gewacht?«
    »Ich habe gewacht.«
    »Bist du nüchtern?«
    »Ich bin es.«
    »Folge mir.«
    Unter der Säulenreihe vor dem Haus des Phönix gesellten sich drei Priester zu ihnen: Einer trug ein Weihrauchfass, die anderen Gefäße aus Obsidian in Form von Lotusblüten.
    Vor der roten Scheibe der aufgehenden Sonne ragte der Obelisk des heiligen Sees auf, das Gestirn zeichnete feurige Reflexe auf das Wasser. Ein Boot glitt über den Nil, der eintönige Gesang der Ruderer verband sich mit den Litaneien der aus dem Tempel aufsteigenden Gebete.
    Am Rand des Sees angelangt, stiegen die fünf Männer die Stufen hinab, die unter die Wasseroberfläche führten, bis ihnen das Wasser an die Knie reichte. Der Priester mit dem Weihrauchfass stimmte ein Gebet an und schwenkte dabei das rauchende Fass.
    Während der zweite Priester seinen Körper mit Öl aus Ysop salbte, starrte Nepher in die Sonnenscheibe. Gleich würde etwas geschehen . Er schloss die Augen und ließe sich von den Strahlen des Gottes liebkosen. Wieder spürte er die dröhnende Vibration in seinem Kopf, anfangs stark, dann sanfter, bis sie zu einem Flüstern wurde, wie das Rascheln der Binsen am Nil.
    » Gewaltsam öffne ich mich dir und breche die Siegel des Heiligen Tores «, sagte die Stimme, » damit du über seine Schwelle treten kannst .«
    »Oh Aton, mein Vater, deine Herrlichkeit strahlt im Himmel wie beim Morgengrauen des ersten Tages des Zep Tepi .«
    »Hoheit, hörst du mir zu?« Meryre runzelte die Stirn. »Ich habe dich aufgefordert niederzuknien.«
    Nepher gehorchte.
    »Schwörst du, dass du Seth meiden wirst und nach der Wahrheit und im Gehorsam vor dem Gesetz Maats leben wirst?«, fragte Meryre.
    »Ich schwöre es.«
    Meryre hob den Stock gegen den Obelisken. »Oh Aton, der du am Himmel strahlst, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden …« Als das Gebet beendet war, entrollte er den Papyrus und reichte ihn Nepher. »Sprich die zweiundvierzig Bekenntnisse und atme so den Odem Maats.«
    Nepher hob den Papyrus vor seine Augen. »Ich habe nicht gestohlen, ich habe nicht getötet, ich habe nicht mit Frauen Unzucht getrieben, welche den Krug zerbrochen haben, ich habe nicht gelogen, ich habe niemanden zum Weinen gebracht, nie habe ich Grenzsteine von Ländereien

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