Curia
herumspaziert?«
»Ich gebe zu, dass meine Vorstellungskraft nicht ganz ausreicht, um mir diese Szene auszumalen. Doch ein wahrer Führer sieht stets die positive Seite.«
»Die … die positive Seite?«
»Die beiden sind zu allem bereit, und das könnte sich als nützlich für uns erweisen. Die Mönche kennen keine Gnade, Sie selbst haben mir das gesagt.«
»Oh, mein Gott, oh, mein Gott.« Pater Pinkus schüttelte den Kopf. »Mit diesen beiden Verrückten sind wir zu viert. Wie teilen wir uns auf?«
»Wie sollen wir uns schon aufteilen? Zwei für jedes Kloster.«
Keines der drei Mitglieder des Abrahamsbundes traute den anderen beiden, und jede Zweiergruppe musste zwangsläufig aus Angehörigen unterschiedlicher Religionen bestehen. Außerdem hasste Al Kaddafi die Juden glühend und würde niemals bereit sein, sich mit Rabinovitch zusammenzutun, der seinerseits gegen die Moslems einen wilden Hass hegte.
»Wer von uns beiden geht mit Al Kaddafi?«, fragte Pater Pinkus.
»Mit dem gehe ich. Er wird es ohnehin verlangen.«
Auf Pater Pinkus Wangen kehrte ein wenig Farbe zurück. »Warum, Monsignore?«
»Ich bin ihm vor vier Jahren in Dschidda begegnet. Um mich mit seinem Koran zu beeindrucken, hat er mir die Scharia erklärt und wie in den Gefängnissen Saudi-Arabiens gefoltert wird. Ein Dilettant. Ich wiederum habe ihm erzählt, wie die Zentren des Opus Dei funktionieren und dass unsere Numerarier sich selbst foltern.«
»Aha, sehr gut«, sagte Pater Pinkus bewundernd. »Und was hat er geantwortet, Monsignore?«
»Er hat nichts mehr gesagt, aber er hatte kapiert, wer der Torero ist, und die Hörner gesenkt. Seither gibt es zwischen uns eine Art stillschweigendes Einverständnis.«
»Ich hab es ja immer gesagt, Monsignore, Sie sind der geborene Führer.«
»Vergessen Sie nie, Pater: Ein Führer besitzt drei Gaben.« Guzman betrachtete die Büste Julius Cäsars. »Charakterstärke, Kühnheit und Weitsicht.« Er breitete zwei Karten auf dem Tisch aus. »Jetzt studieren wir die Pläne der beiden Klöster. Ach nein, lassen Sie mich erst die Karte vom Berg Athos sehen.«
»Hier bitte, Monsignore.« Der Pater drehte die Karte zu Guzman um. »Ich habe sämtliche Entfernungen von Hand eingetragen.«
Die Halbinsel des Berges Athos war eine nur vom Meer aus zugängliche Landzunge, siebenundfünfzig Kilometer lang und zwischen sechs und zehn Kilometern breit. Daphni, der einzige Zugangshafen, lag an der Westküste, etwa zwanzig Kilometer von der Spitze der Insel entfernt. Karyes, das Verwaltungszentrum, ein Dorf mit wenigen Häusern, lag vier Kilometer nordöstlich von Daphni. Das Kloster Filotheou lag südöstlich von Karyes, Iviron dagegen an der Ostküste.
» Muy bien . Dies ist der Plan von Iviron. Die Bibliothek befindet sich im Ostflügel des ersten Stocks. Der Mönch, der der Bibliothek vorsteht, heißt Dometios …«
»Wie kommen wir an die Schlüssel, Monsignore?«
Mit verschwörerischem Blick schwenkte Guzman eine Plastiktüte und zog zwei Schlüsselbunde heraus. Ein Schlüsselanhänger war mit P, der andere mit I gekennzeichnet.
In der Gemeinschaftskapelle läutete die Glocke zum Vespergebet.
17 Die Uhr am Ausleihtisch zeigte 08:41 Uhr. Der Lesesaal der Bibliothek des Louvre war menschenleer.
Die Tür der Bibliothek öffnete sich, und Théo kam in Begleitung eines kleinen Dicken mit kanariengelbem Hemd und rot gepunkteter Fliege hinein. Die beiden setzten sich an einen Tisch, auf dem stapelweise Dossiers lagen, mit einer altmodischen Handschrift etikettiert.
Théo schlug einen Ordner auf, dessen Rücken die Aufschrift »Carter-Tutanchamun, 1922« trug. »Sie müssen alle durchgesehen werden, Gaston, Seite für Seite, angefangen mit diesem hier. Zeitungsartikel, Briefe … alles.«
»Wie du willst. Aber ich sag’s dir noch einmal: Von der Geschichte hab ich noch nie was gehört.«
»Wollen wir schon aufgeben, bevor wir angefangen haben?«
»Aufgeben, ich?« Gaston zog an seiner Fliege, ließ das Gummiband zurückschnellen und öffnete das Dossier von 1923.
Théo beobachtete ihn verstohlen. Gaston war der beste Akquisiteur, den die Ägyptische Abteilung je gehabt hatte. Er war die personifizierte Hartnäckigkeit. Ohne ihn lägen viele Stücke ihrer Sammlung nicht in den Vitrinen des Museums.
Die Uhr am Ausleihtisch zeigte 13:10 Uhr. Théos Blick schweifte über die vergilbten Zeitungsausschnitte, Briefe und Memoranden, die den Tisch übersäten. Er seufzte. Nichts, absolut nichts.
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