CUT
es über die Schleimhaut
einnimmst. Dann hast Du zumindest mal eine gewisse Zeit, mich zu rufen und Dir
Deine lebensrettende Spritze abzuholen, also nimm das jetzt, verdammte Axt!“
Timo setzt sich auf die Bettkante und hält ihm die feuchte Kapsel entgegen.
„Nein!“, faucht Steven und richtet sich
auf.
„Warum nicht?“, frage ich.
„Ich habe meine Gründe. Fertig, aus,
Ende!“, meckert er.
„Okay. Auf Deine Verantwortung“,
konstatiere ich. Timo schaut mich an. Beruhig Dich. Steven weiß schon, was er
tut. Das fällt auch unter „Vertrauen“.
„Ich pass auf mich auf!“, verspricht
dieser.
„Zieh Dich erst mal an, sonst muss ich
Dich auch noch mal vögeln“, grinst Timo.
„Feigling, Feigling!“, stachelt Steven
Timo an. Er und ich tauschen einen Blick.
„Bin ich froh, dass Deiner größer als
achtzehn mal fünf ist“, stichele ich, während ich das Zimmer verlasse und mich
auf die Suche nach Raffael mache. Der ist zur Abwechslung mal in seinem Zimmer
und schreibt einen Brief, anstelle mit Mark zu vögeln. Als ich reinkomme,
schiebt er sofort ein anderes Blatt über sein Geschriebenes und schaut mich an.
„Kann ich Dich mal was fragen?“, frage
ich.
„Was denn?“ Raffael klingt abweisend.
„Was hast Du eigentlich für ein Problem
mit mir?“, frage ich freundlich.
„Keins.“
„Bist Du Dir sicher? Du siehst aus, als
hättest Du Ärger, und wenn ich Dir anbiete, Dir zu helfen, brüllst Du mich an.
Du gehst mir aus dem Weg, redest nicht mit mir, und reagierst jedes Mal, wenn
ich versuche, in irgend einer Form mit Dir Kontakt zu kriegen, so, als hättest
Du lieber eine Unterhaltung mit Kakerlaken als mit mir“, stelle ich fest.
„Sag mal, kann das sein, dass Du total
ich-bezogen bist? Da ist die Tür“, antwortet Raffael lakonisch.
„Das weiß ich. Aber es ist trotzdem nicht
fair“, hake ich nach.
„Das Leben hat mit Fairness nichts zu tun“,
stellt Raffael trocken fest.
„Vögelst Du eigentlich freiwillig mit
Mark, oder zwingt er Dich dazu?“, suche ich eine wunde Stelle in seiner
Argumentation.
„Ich wünsche Dir einen guten Abend. Dort
ist die Tür“, antwortet er mir total emotionslos.
„Ich glaub, Du bist ein ziemlicher
Feigling“, bedauere ich, während ich zur Tür gehe.
„Selbst wenn, geht Dich das einen
Scheißdreck an“, stellt Raffael fest. Ich schließe die Tür. Von oben höre ich
Stevens leises Stöhnen.
Am meisten ärgert mich, dass ich immer
noch nicht weitergekommen bin. Inzwischen ist es fast sieben, ich stehe blöde
auf dem Gang herum, während Horst sich von André irgend welche Tricks bei
Kameraeinstellungen zeigen lässt, Violette scheinbar telefoniert, denn ich höre
ihre Stimme ohne Antwort. Ein Film über sie müsste man vermutlich 'Das
Kreissägenmassaker' nennen. Mich jetzt mit ihr zu unterhalten, gibt auch nicht
wirklich einen Sinn. Auf Mark habe ich auch nicht wirklich Lust, eher lege ich
mich an den Pool und warte darauf, dass mich irgendjemand ablenkt. Leider
passiert das nicht, aber ich bin auch ziemlich müde.
Auf dem Weg nach oben begegnet mir
Steven.
„Na, fertig?“, frage ich.
„Sieht fast so aus. Ich geh jetzt mal ne
Runde schwimmen“, entgegnet Steven mir.
„Ich geh ne Weile pennen... sag Bescheid,
wenn Du mich brauchst“, antworte ich mit einem Zwinkern. Dann lege ich mich in
mein Bett und schlafe den Schlaf der Gerechten. Als ich wieder erwache, dämmert
es draußen bereits. Der Reihe nach gehen im Haus die Lichter aus.
Unten im Pool liegt Steven auf dem Rücken
im Wasser und lässt sich treiben. Er hört Musik aus einem MP3-Player. Als die
letzten Takte von Wagners „Loreley“ erklingen, seufzt er und räkelt sich leicht
auf der Wasseroberfläche. Sein Kopf liegt auf dem Beckenrand. Leise summt
Steven die Melodie mit. Er überhört die Schritte auf dem Kies ebenso wie das
Räuspern schräg hinter ihm. Auch das „Tut mir leid, Boss“, bekommt er nicht
mit. Das einzige, was er spürt, ist der Schlag, den er auf seinen Kopf erhält.
Ein leises Stöhnen, dann sackt er nach unten. Der Unbekannte lacht leise und
gibt Steven einen Tritt gegen die Schulter, damit er ganz ins Wasser rutscht.
Da er immer noch nicht untergeht, drückt sein Mörder auf den Knopf, mit dem man
die automatische Poolabdeckung schließt. Leise surrend schiebt der Elektromotor
vier Stangen nach vorne, während die Hydraulik eine schwere Plane über die
Wasseroberfläche schiebt. Eine der Stangen drückt Stevens Kopf unter
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