Cut
noch den Namen des Schiffsarztes und seine Heimatadresse. Gibt es da ein Register?«
Sörensen pafft an seiner Pfeife. Offenbar genießt er die Situation. Du hast ihn im Verdacht, dass er die Angelegenheit absichtlich in die Länge zieht.
»Immer sutje, min Deern. Dat heb wi gliek. Einer jungen Dame wird hier immer geholfen.« Er zieht eine moderne Telefonanlage zu sich heran und tippt stundenlang auf verschiedenen Tasten herum. Zwischendurch hält er immer wieder den Hörer ans Ohr. Anscheinend bekommt er keine Verbindung. Schließlich wählt er eine Null.
Du musst an Hinnarck denken, der sich vor zwei Jahren einen Computer gekauft hat. Bis heute hat er keine Ahnung, wie man das Ding bedient. Du müsstest dich mal in Ruhe mit ihm hinsetzen, aber bisher hast du es immer wieder verschoben. Er würde den Teufel tun und dich darum bitten.
»Zentrale!«, bellt der Alte ins Telefon. »Sörensen hier, Hafenmeister a.D.! Verbinden Sie mich bitte sofort mit der Registratur!« Er wartet und zwinkert dir zu. »Registratur! Sörensen hier. Jo danke, wat mutt, dat mutt. Ich brauche die Adresse eines Schiffsarztes. Sehen Sie doch mal im Offiziersregister nach. November 1971. Name des Schiffes: Indira. Jo, ich warte.«
Der alte Sörensen legt den Hörer hin und ihr schweigt. Das einvernehmliche Schweigen zweier Verschwörer, die auf den richtigen Zeitpunkt warten.
»Sag ihm von mir, er kann stolz sein auf seine Tochter, so ’ne hübsche Deern und nicht auf den Kopf gefallen«, knurrt Sörensen plötzlich.
Erst denkst du, du hast dich verhört. »Was haben Sie gesagt?«
»Stolz, Deern. Du suchst doch nach deinem Vater. Oder denkst du, Sörensen ist blind? Ich bin seit meinem fünfzehnten Lebensjahr zur See gefahren. Ich hatte auch meine Mädels in den Häfen. Und manchmal denk ich, ob wohl …« Er stülpt ein kariertes Taschentuch über seinen Zeigefinger und stochert damit in seinem Augenwinkel.
Bevor du etwas sagen kannst, plärrt eine Stimme aus dem Hörer. Er hebt ihn wieder ans Ohr und greift nach einem Zettel. Langsam malt er Buchstabe für Buchstabe auf das Papier. Dann schiebt er es wortlos zu dir hinüber.
Einem plötzlichen Impuls folgend springst du auf, läufst um den Tisch und umarmst ihn mitsamt dem Telefon am Ohr. Du hörst, wie sich die Stimme aus der Registratur nach seinen Enkelkindern erkundigt. Dann greifst du nach deiner Tasche und gehst.
»Der Lütte studiert Informatik. Computer und so ’n Schietkram!«, ist das Letzte, was du von Sörensen mitbekommst, bevor die Tür hinter dir ins Schloss fällt.
In deiner Hand hältst du die Heimatadresse von Doktor Anand Kumar in Bombay und ein vergilbtes Stück Zeitung aus dem Hamburger Abendblatt von 1971.
42 Spuren
Die Kopfhörer hatte er abgenommen, aber Nick war so vertieft in den Artikel von Mehmet Khan, dass er trotzdem die Wohnungstür überhörte. Erst als Matties schnelle Schritte abrupt in der Tür zum Wohnzimmer verstummten, schoss er hoch, als hätte sie ihn bei etwas Verbotenem erwischt.
»Du hier?«
Ihr Gesicht verriet nichts, absolut gar nichts. Langsam kam sie auf ihn zu.
»Ja, ich – du, ich wollte mich bei dir …«
Sie verzog keine Miene. Er suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. Jetzt nur nicht wieder was Falsches sagen. Sie stand direkt vor ihm und guckte ihn an. Er fragte sich, ob sie ihn rausschmeißen würde. Er hatte sich nie überlegt, wie es wohl ohne sie wäre. Einfach weil sie seit ziemlich langer Zeit immer da war.
Plötzlich lachte sie laut auf. »Mach nicht so ein blödes Gesicht, Nick!« Und ließ sich einfach auf seinem Schoß nieder.
Er war noch mal davongekommen. Erleichtert wollte er sie an sich ziehen, aber sie hangelte sich aus der Umarmung und zog irgendwelche Papiere aus ihrer Umhängetasche, die sie quer über das Sofa schleuderte. Ihre Augen leuchteten triumphierend, als sie ihm einen Zettel unter die Nase hielt.
»Anand Kumar ist in Bombay?«
»Zumindest war er da mal. Das ist die heißeste Spur, die wir je hatten.« Sie schien förmlich zu vibrieren. Mattie war auf Hochtouren. Nick brauchte all seine Energie, um ihr zu folgen, als sie mit ihm durch ihre jüngsten Erlebnisse galoppierte. »Aber der Grund war nicht der Feiertag!« Offenbar näherte sie sich der Ziellinie. »Anand Kumar hat meine Mutter belogen. Warum bloß?« Sie machte den Mund zu und atmete tief durch die Nase ein.
Nick überlegte. »Vielleicht hatte er was mit dem Tod des Inders am Hafen zu tun. Gib mir mal den Artikel, wie
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