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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kroeger
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abnudelt, bis sie lauter Kratzer haben. Spring ab, Mattie, du bist da.
    Das alte Speicherhaus ist einer der wenigen noch nicht sanierten Backsteinriesen. Die anderen kannst du kaum sehen hinter den riesigen Planen, auf denen obskure Maklerfirmen mit hochmodernen Büroflächen und Lofts von 250 bis 2500 Quadratmetern locken, provisionsfrei, versteht sich.
    Du stemmst dich gegen die quietschende Drehtür und landest in einer stinkenden Wolke aus Linoleumreiniger. Vorsichtig umschiffst du eine Frau mit einer monströsen Bohnermaschine und gehst an der leeren Pförtnerloge vorbei zu einer Tür mit einem Messingschild. Du klopfst und betrittst das Büro des Hafenmeisters.
    Im Vorzimmer findest du zu deiner Überraschung keine Sekretärin, sondern einen uralten Mann, der mit einem Computer redet. »Schietkram!«, sagt er gerade, als du vor dem Schreibtisch stehen bleibst.
    »Ich möchte den Hafenmeister sprechen.« Du hast dir fest vorgenommen, dich nicht abwimmeln zu lassen, egal was kommt.
    »Die sind alle auf Tagung. Modernes Hafenmanagement. Schietkram. Ich war 27 Jahre lang Hafenmeister und habe das auch ohne so ’n Kram gemanagt. Alles hier drin.« Er tippt sich gegen die Schiebermütze. »Deswegen rufen die auch den alten Sörensen an, wenn sie auf Tagung gehen. Und so ’n büschen Hafenluft schnuppern kann ja nicht schaden auf meine alten Tage, nicht, Deern?«
    Er hat dich ohne Scham von oben bis unten gemustert. Offensichtlich gehst du bei ihm noch als Deern durch. Na ja, wer weiß, wozu es gut ist. Umständlich kramt er eine Pfeife raus und beginnt, sie zu stopfen. Mit Hans Albers hast du nicht gerechnet.
    »Das kann ich mir vorstellen. Ich wette, Sie erinnern sich an viele Dinge, für die Ihr Nachfolger erst im Computer nachgucken muss.« Du lächelst ihn an.
    Sörensens Augen blitzen auf. »Sag ich doch! Wer braucht denn so ’n Schietkram.« Er versetzt dem Monitor einen Schlag mit der Pfeife.
    »Ich muss nämlich wissen, welche Schiffe am 17. November«, sicherheitshalber guckst du noch mal auf deinen Zettel, »1971 nicht auslaufen durften, weil Buß- und Bettag war.«
    Sörensen lässt sich in den zarten Bürostuhl fallen, der unter seiner Masse fast verschwindet. »Was sagst du da, Deern? Buß- und Bettag? Wer hat dir denn so ’n Seemannsgarn gesponnen? Ich hab ja schon von allem möglichen Aberglauben gehört, aber dass die Schiffe an Buß- und Bettag nicht auslaufen, das hör ich zum ersten Mal.« Er reißt ein Streichholz an und setzt seine Pfeife in Gang, wie um seine Autorität zu unterstreichen. »Die Seefahrt ist ein hartes Geschäft, Deern, da kann man nicht wegen jedem Pfaffen an Land bleiben.«
    Lass dich jetzt nicht unterkriegen, auch wenn es logisch klingt, was er sagt. Emma ist zwar verrückt, aber so was kann nicht mal sie sich ausdenken. »Sie müssen sich irren! Ich bin mir ganz sicher, dass zumindest 1971 die Schiffe nicht auslaufen durften. Denken Sie doch mal nach!« Sicherheitshalber schickst du ihm noch ein Lächeln über den Tisch.
    »Ich mich irren? Das ist ein starkes Stück, junge Dame. Aber wenn es Ihnen denn so wichtig ist, kann ich ja in meinem Wettertagebuch nachgucken. Das staubt hier sowieso nur vor sich hin.« Schwerfällig hievt er sich aus dem Stuhl hoch und schlurft zu einem Vitrinenschrank aus poliertem Holz, wo hinter Glas eine Knotentafel, ein Miniaturmodell des Segelschulschiffes Gorch Fock und eine Reihe zerfledderter alter Kladden stehen.
    Du richtest dich in Gedanken auf einen längeren Aufenthalt ein. Sörensens Film läuft noch in einer anderen Geschwindigkeit als dieser moderne Schietkram mit zweihundert Schnitten pro Minute.

40 Verräter
    Nick stand schon eine Weile vor der Tür und überlegte, ob es eine gute Idee war, jetzt zu Mattie reinzugehen. Er hätte auch erst in seine Wohnung fahren können, aber es zog ihn nichts in das fast leere Zimmer, in dem sich außer ein paar elektronischen Geräten nur seine alten Platten stapelten. Immerhin war es so billig, dass er einfach die Miete weiterbezahlen und sich theoretisch unabhängig fühlen konnte. Praktisch hatte er sich angewöhnt, die meiste Zeit bei Mattie herumzuhängen. So war er mehr oder weniger automatisch hier gelandet.
    Als er aufschloss, stellte er zu seiner Erleichterung fest, dass sie gar nicht zu Hause war. Er warf seine Tasche aufs Sofa. Warum fühlte er sich trotzdem wie ein ungebetener Gast? Unruhig wanderte er im Wohnzimmer auf und ab. Er musste sich was einfallen lassen, um seinen

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