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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kroeger
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aus dem Telefon. »Sei still und demütig, denn du hast Sünde auf dich geladen!«
    Büßen und beten, Emma. Im Wasser sitzt der Teufel. Er kommt immer wieder. Will Emma für sich. Da! Da ist er! Neinneinnein!!!

44 Gott
    Hinnarck riss sich den nassen Friesennerz vom Leib, zwängte sich in die Nische zwischen Tisch und Fenster und packte Emma mit beiden Händen an den Schultern.
    »Emma! Ich bin’s, Hinnarck!«
    Sie war so verkrampft, dass ihre Muskeln sich anfühlten wie aus Stein. Er fluchte leise vor sich hin. Aber der Anfall war vorbei. Sie weinte jetzt nur noch. Langsam kehrte ein bisschen Farbe in ihr blasses Gesicht zurück.
    Hinnarck griff in seine Hosentasche, fand aber kein Taschentuch und wischte ihr vorsichtig mit seinem Pulloverärmel die Tränen ab. Dann machte er ein paar Schritte rückwärts, bis er so stand, dass sie ihn von Kopf bis Fuß sehen konnte.
    »Emma, ich bin’s doch. Du musst keine Angst haben. Entschuldige, ich hätte mich abtrocknen sollen.«
    Ihr Blick war jetzt klarer und hing vertrauensvoll an seinen Lippen. Leise redete er auf sie ein, erzählte ihr, wen er beim Einkaufen getroffen hatte, und räumte dabei die vollen Jutetaschen aus.
    Emma guckte auf ihre neue Armbanduhr, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte.
    »Halb elf. Ich will meinen Kaffee trinken«, sagte sie.
    Hinnarck seufzte und ließ die Konserven, die er gerade einräumen wollte, stehen. Er öffnete die Kaffeedose, um genau drei Löffel Kaffee in die Filtertüte zu füllen. Das Wichtigste für Emma war ein geregelter Alltag, so viel hatte er mittlerweile begriffen.
    Vor Jahren, als er sie das erste Mal nach Ochsenzoll bringen musste, hatte der Professor ihn in sein Büro gerufen und ihm erklärt, was mit ihr los war. »Ihre Frau ist keine Psychopathin. Sie ist nicht verrückt. Ihr Geist ist unruhig und verweigert ihr das Instrumentarium, das wir alle brauchen, um unser Leben zu strukturieren.«
    »Ist so was denn angeboren?«, wollte Hinnarck wissen.
    »Macht das für Sie einen Unterschied?«, hatte der Professor zurückgefragt.
    Nein, das glaubte er nicht. Hätte er sein Leben noch mal leben können, er hätte sich wieder in sie verliebt. Trotz allem.
    Sie war noch ein halbes Kind, als er sie traf. Ihre Mutter war eine von der Sorte, die wollen, dass ihre Töchter was Besseres werden. Sie staffierte sie aus wie eine Prinzessin und schleifte sie zum Derby, wo die gute Hamburger Gesellschaft verkehrte.
    Aber er war auch da, Hinnarck Junghans in seinem ersten eigenen Anzug und mit seinem ersten Lohn als Monteur in der Tasche. Er hatte sie gesehen und schon war es passiert. Nicht weil sie so schön war, das waren viele. Sie hatte ihn angesehen, als würde sie direkt in sein Herz gucken. Emma in ihrem weißen Petticoat.
    In einem Anfall von Größenwahnsinn setzte er sein ganzes Geld auf ein Pferd, das Prinzessin hieß. Er hatte sowieso keine Ahnung von Pferden, er wollte einfach nur den Duft der weiten Welt schnuppern. Prinzessin gewann.
    Hinnarck nahm all seinen Mut zusammen und lud Emma und ihre Mutter zu Kaffee und Kuchen ein. Er wollte, dass sie ihn bewunderte, ihn für einen weltgewandten Mann hielt.
    Es hatte geklappt. Sie hatte ihn geheiratet, sie war mit ihm nach Harmsdorf gekommen. In der ersten Zeit dachte er, sie liebte ihn auch. Bis diese Geschichte mit dem Inder rauskam.
    Hinnarck schenkte Kaffee in ihre zwei Becher. Zwei Tropfen Kaffeesahne für jeden und für Emma ein Stück Zucker. Er stellte die Tasse vor sie hin und rührte um. Sie trank den Kaffee viel zu heiß, mit großen, schnellen Schlucken. Der nächste Griff ging zur Zigarettenschachtel auf dem Fensterbrett.
    Emma war nicht weggegangen. Sie war bei ihm geblieben. Als es ihr schlechter ging, war er zuerst fast ein bisschen froh, ihr beweisen zu können, wie sehr er sie liebte.
    Er wusste, dass die Leute hinter seinem Rücken quatschten, wenn er durch die Fußgängerzone ging.
    »Der arme Mann.«
    »Warum hat er sie nicht verlassen oder in ein Heim gesteckt?«
    »Das ist doch kein Leben.«
    Hinnarck tat, als hörte er nichts. Aber an schlechten Tagen fragte er sich, ob sie nicht Recht hatten. Es war kein Leben. Warum hatte Gott sie mit so einem Schicksal gestraft?
    Hinnarck glaubte schon lange nicht mehr an Gott.
    Das Einzige, was er wusste, war, dass er sie nie verlassen würde.
    Und sie ihn auch nicht.

45 Indien
    Nick hing am Telefon und sprach mit dem Zeitungsarchiv.
    »Ich weiß das genaue Datum der Ausgabe nicht, irgendwann nach dem

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