Cut
vorbeigerannt.
»Hey, Mattie!«, keucht er, als du ihn am Ärmel ziehst. »Gut, dass ich dich noch erwische. Wer ist denn das?«
Und Nick ist auch noch nie in Harmsdorf gewesen. Er kennt weder Hinnarck noch Emma und schon gar nicht Tante Charlotte. Fein säuberlich getrennt hast du deine beiden Welten. Jetzt stellst du die zwei einander vor. Sie beäugen sich misstrauisch.
»Na, das trifft sich ja gut«, sagt Nick zu deinem Erstaunen, »ich wollte dir nämlich eben vorschlagen, doch noch mal nach Harmsdorf zu fahren, um Ludwig Hauser zu fragen, ob er was über deinen Vater weiß.«
»Ludwig?«, kreischen du und deine Patentante in schaurigem Duett.
»Ja, genau der. Denn wenn Kumar etwas mit der Ermordung von diesem Rajiv Kher zu tun hat, dann vielleicht auch mit Ludwig Hauser. Der hat sich nämlich auf den Artikel hin bei der Polizei gemeldet und im Auftrag der indischen Familie des Toten die Leiche abholen lassen.«
Charlotte machte vorsichtig die Augen auf, erst das eine und dann das andere. Ihr war furchtbar schwindelig und sie wusste nicht, wo sie sich befand.
»Kreislauf«, diagnostizierte ihre innere Stimme und sie fühlte sich schon wieder etwas besser. Ihr niedriger Blutdruck hatte in letzter Zeit öfter Scherereien gemacht.
Vorsichtig sah sie nach rechts und links. Sie saß auf einer Bank. Neben ihr standen zu beiden Seiten Madita und ein ziemlich legerer junger Mann. Ach ja! Sie war in Hamburg, um ihre Patentochter zu besuchen. Dann war dieser Freund von ihr plötzlich aufgetaucht, wie hieß er noch? Mick? Jedenfalls redete der jetzt mit Madita, während die besorgt um sie herumscharwenzelte und ihr irgendein Kleidungsstück in den Nacken schob.
»Es geht schon wieder.« Das war ihre eigene Stimme, immerhin. Aber die beiden hörten ihr gar nicht zu. Sie stritten sich.
»Musstest du sie so erschrecken?«
»Ich hab doch noch gar nichts gesagt!«, verteidigte sich Mick. »Nur dass die beiden anscheinend was mit Rajiv Kher zu tun hatten.«
Schlagartig fiel ihr wieder ein, was er gesagt hatte. Über Ludwig.
»Rajiv Kher? Ermordet, hier in Hamburg?«, fragte sie. Die beiden hörten endlich auf zu reden und sahen sie an. »Er war ein Kriegskamerad von meinem Vater und Ludwig. Und was soll Anand Kumar damit zu tun haben? Ich verstehe nicht recht …« Ihr wurde schon wieder ein bisschen schwindelig.
»Wir ja auch nicht«, sagte Madita. Sie hatte sich neben sie gesetzt und tätschelte ihre Hand. »Deswegen wollen wir ja mit deinem Ludwig reden, vielleicht kann er uns weiterhelfen.«
Charlotte nahm all ihre Energie zusammen, rückte ein Stück von Madita ab und straffte sich. »Nein! Das erlaube ich nicht. Ludwig geht es nicht gut. Das Letzte, was er momentan verträgt, ist Aufregung!«
Hieß er wirklich Mick? Jedenfalls guckte er sie an, als wollte er sich gleich auf sie stürzen. Aber sie würde sich nicht noch einmal von so einem jungen Streuner einschüchtern lassen, und schon gar nicht, wenn es um Ludwig ging!
»Aber verstehen Sie doch!« Immerhin wurde er nicht tätlich, sondern schrie nur herum. »Madita hat schließlich ein Recht zu erfahren, was mit ihrem Vater los war. Ihr Ludwig wird ja wohl nicht dran sterben, wenn wir kurz mit ihm reden!«
Madita legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm, aber,, Charlotte hatte genug von den Unverschämtheiten dieses Freundes. »Nein!«, sagte sie und versuchte trotz ihrer Unpässlichkeit ihrer Stimme alle Schärfe zu geben, derer sie habhaft werden konnte. »Wenn hier jemand mit ihm redet, dann ich und nur ich!« Sie sprach jetzt nur noch mit Madita. »Ich melde mich bei dir, wenn er wirklich etwas weiß. Was ich nicht glaube, denn sonst hätte er mir davon erzählt.« Sie stand auf, immer noch ein bisschen unsicher, aber es ging schon wieder.
»Willst du nicht noch reinkommen und dich einen Augenblick hinlegen? Und dein Kuchen!«
Madita mochte ja ein nettes Mädchen sein, aber dieser Mick war nicht die Art von Gesellschaft, in der sie sich auch nur eine Minute länger aufhalten wollte. Entschlossen griff sie nach ihrer Handtasche und ging langsam, Schritt für Schritt, in Richtung der U-Bahnstation. Beim Herauskommen hatte sie einen Taxistand gesehen, und ein Taxi war es, was sie jetzt brauchte.
46 Darwin
Ludwig legte das Buch beiseite und hievte seinen schweren Körper aus dem Bett. Er hatte zwar wieder nicht geschlafen, aber die Ruhe hatte ihm gut getan. Langsam schob er seine bloßen Füße in die Pantoffeln. Vielleicht hatte er sich einfach
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