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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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Einzelheiten, die seine Eltern ausgelassen hatten. In den letzten anderthalb Jahren musste die Polizei dreimal wegen häuslicher Gewalt bei ihnen vorbeischauen. Einmal hatten die Beamten Darya verhaftet und LaBrecque zu Hause gelassen, obwohl sie blutete und blaue Flecken hatte, denn LaBrecque hatte sie an der Tür abgefangen und ihnen erzählt, dass seine Frau aus Eifersucht auf ihn losgegangen sei, er habe sich nur verteidigt. Leider ist das nicht ungewöhnlich und einer von vielen Gründen, warum Frauen nicht jedes Mal Hilfe rufen, wenn sie von ihrem Partner verprügelt werden. Die Polizisten sind keineswegs immer auf der Seite des schwächeren Geschlechts. Einmal hatte das Jugendamt einen Sozialarbeiter ins Krankenhaus geschickt, nachdem ein Arzt dort verdächtige Schwellungen und Knochenbrüche des Jungen gemeldet hatte. Darya hatte schließlich eine Klage eingereicht, was aber in keiner Weise zu ihrem Schutz beigetragen hatte.
    In LaBrecques Akte gab es kaum Hinweise, die mir weiterhalfen. Seine Eltern erzählten mir nichts. Er hatte nicht viele Freunde, aber ich vermutete, dass seine Frau wüsste, wo er sich versteckte, also rief ich Frauenhäuser im gesamten Stadtbereich Atlantas an. Natürlich erfuhr ich am Telefon nichts,die Mitarbeiter tun alles, um die Anonymität ihrer Bewohnerinnen zu schützen, doch als mein Handy klingelte und einen unbekannten Anrufer anzeigte, ahnte ich, dass es Darya war.
    Ich parkte am Straßenrand und ging über die leere Einfahrt zu dem verschachtelten weißen Gebäude mit den pfirsichfarbenen Fensterläden. Das automatische Eisentor war verschlossen, und ich vermutete, dass die Autos der Angestellten und der Bewohnerinnen hinter dem Haus und außer Sichtweite standen. Der Garten war von einem weißen Zaun eingefasst. Eine Überwachungskamera, kaum zu sehen in der rechten Ecke der riesigen Veranda, beobachtete mich, unter dem Objektiv blinkte ein winziges grünes Licht. Der Verkehr auf der Straße, einer der belebtesten Einbahnstraßen der Stadt, war zu dieser Tageszeit spärlich. Zur Rushhour sind immer alle Spuren verstopft.
    «Ich bin Keye Street», sagte ich zu der Frau, die hinter der Fliegentür stand. «Darya hat mich angerufen.»
    «Hallo», sagte sie, und ich hörte gleich ihren Südstaatenakzent. Sie öffnete mir die Tür. «Ich bin Adele. Ich arbeite für die VGHG.»
    «VGHG?», fragte ich, als sie mich hineinführte. Sie war etwa dreißig, schlank und groß, hatte stacheliges Haar und helle blau-grüne Augen, Grübchen und ornamentale Tätowierungen auf einem Arm. Im Hintergrund hörte ich Frauenstimmen, Kinder und einen Fernseher.
    «Vereinigung Gegen Häusliche Gewalt», antwortete sie. «Ich bin eine der Sozialarbeiterinnen, die hier abwechselnd arbeiten. Ein Stein in der Schutzmauer.» Sie lächelte.
    Sie führte mich durchs Foyer an einem Büro vorbei. Es gab zwei Schreibtische, an einem saß eine Frau und sprach in ein Headset. «Wir betreiben hier rund um die Uhr eine Hotline. Wir sind alle mal dran. Es ist hart», erklärte Adele. Bei einemzweiten Blick ins Büro bemerkte ich drei Überwachungsmonitore, auf denen die vordere und die hintere Veranda sowie die Einfahrt zu sehen waren.
    Wir kamen in den Hauptwohnbereich. Mehrere Kinder spielten auf dem Boden, Frauen saßen auf einem Sofa und sahen kaum von der
Jerry Springer Show
auf. Das Mobiliar stammte von der Heilsarmee, nichts passte zusammen, und alles wirkte alt. Ein paar Klapptische ergänzten die Einrichtung.
    «Wir sind auf Spenden angewiesen und müssen nehmen, was wir kriegen», sagte Adele und führte mich durch einen Flur an mehreren Schlafzimmern vorbei, in denen jeweils ein paar Einzelbetten und Kinderbettchen standen. Dann kamen wir durch eine Küche, in der zwei Frauen am Tisch saßen, Karten spielten und Wasser aus Plastikbechern tranken. Adele zeigte auf die Hintertür. «Darya ist auf der Veranda.»
    Vielleicht war sie einmal schön gewesen, bevor LaBrecque sie mit seinen Fäusten bearbeitet hatte, das war schwer zu beurteilen. Sie rauchte eine Zigarette, und ihr Gesicht war so geschwollen und verunstaltet, dass sie die Lippen nicht völlig um den Filter schließen konnte. Jedes Mal, wenn sie einen Zug nahm, war ein leichtes Pfeifen zu hören. Mein Magen verkrampfte sich.
    Ich setzte mich neben sie auf die Verandaschaukel. An einem rot-grünen Kindertisch nahm ein ungefähr sieben Jahre alter Junge energisch ein Spielzeugauto auseinander und baute es wieder zusammen. «Danke, dass Sie

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