Cut
Blei durch den Körper strömt.
Während des Essens sprachen wir über LaBrecque, das erste Opfer, von dem wir schon vor Beginn der Ermittlungen eine Menge wussten. Dieses Wissen könnte uns bei den anderen Fällen weiterhelfen, denn bisher waren alle Opfer große Fragezeichen gewesen. Nicht so dieser Typ.
«Kannst du überprüfen, ob irgendein Opfer im Zusammenhang mit einem Notruf wegen häuslicher Gewalt steht?»
Neil überlegte einen Moment und nickte dann. «Ja, aber an diese Informationen kann Rauser leichter kommen.»
«Schauen wir mal, ob wir etwas herausfinden. Rauser hat schon genug am Hals. Kannst du in Erfahrung bringen, ob die Opfer im Krankenhaus gewesen sind oder die Notaufnahme aufgesucht haben, und wenn ja, warum? Und auch ihre unmittelbaren Angehörigen?»
«Kommt drauf an, wie alt sie sind.» Er verzog das Gesicht, als ich Senf über meine Hash Browns quetschte, die ich mit Jalapenas bestellt hatte, und bat dann die Kellnerin um eine zweite Pecan-Waffel.
«Ich muss mich für Quinn um diese misslungene Laserbehandlungkümmern», erzählte ich ihm. «Willst du mitkommen? Dieses Mal wird nicht scharf geschossen.»
«Mann, das war cool», sagte Neil.
«Ach nee. Bist du deshalb so schön grün geworden?»
«Na ja, das ist wie nach dem ersten Mal auf der Achterbahn. Man will sich eigentlich nie wieder reinsetzen, aber dann kann man es irgendwie nicht mehr lassen.»
Wir verließen Waffle House zufrieden und beseelt, auch wenn unsere Mägen nach dem vielen bitteren Kaffee ein wenig rumorten. Da das Gewitter wie im Spätsommer üblich weitergezogen war, klappte ich das Verdeck vom Impala runter. Es war kurz vor sieben, die Hitze ließ endlich ein bisschen nach.
Vincent Feldon wohnte in einer Seitenstraße der McLendon Avenue in Candler Park ganz in der Nähe von Little Five Points, wo man nicht selten innerhalb eines Straßenabschnitts funkelnde Vespas, gutgekleidete Homo- und Heteropaare mit Kinderwagen, Tätowierte, Straßenmusiker, überall gepiercte Teenager und auf dem Gehweg liegende Obdachlose sieht. Nichts ist unmöglich, sagte Rauser eines Nachmittags, als wir im Hof von Front Page News aßen, außer uns ein paar Transvestiten, Whitney Houston und ein Filmteam, das sie anscheinend für irgendeine Fernsehreportage begleitete, sowie eine Gruppe lesbischer Autorinnen, die gerade von einer Signierstunde in Charis Books gekommen war, dem lesbisch-feministischen Buchladen um die Ecke, ein Tisch mit wirklich lauten, biertrinkenden Sporttypen, und ein Kerl, der mit einem Papagei allein dasaß.
Ich hielt kurz vor Vincent Feldons Adresse an, machte das Verdeck des Impala wieder zu, parkte dann ein Haus weiter und schaltete den Motor aus. «Was machen wir hier?», wollte Neil wissen.
Ich deutete auf das Haus. «Dort wohnt Feldon, der Typ, der die Laserbehandlung gemacht hat.»
Neil rutschte auf seinem Sitz umher. «Ich kenne das Haus.» Ich schaute ihn an und wartete. «Mein Kumpel John wohnt da», meinte er.
«Dein Kumpel John? Was soll das heißen?»
«Äh.» Neil schien nicht zu wissen, wohin mit sich. «Von dem krieg ich meinen Stoff.»
«Willst du mich verarschen? Vincent Feldon wohnt mit einem Dealer zusammen?» Ich lachte. «Quinn springt vor Freude an die Decke. Mein Gott, kein Wunder, dass die Mandantin jetzt einen Schnurrbart hat. Ich fass es nicht.»
«Ich dachte, er wohnt allein», sagte Neil. «Ich habe dort nie jemanden gesehen, aber das Haus ist groß.»
Wir hörten eine Tür zuschlagen und Schlüssel klimpern. Ein kräftig gebauter Typ in Jeans, die ihm in den Kniekehlen hingen, verschloss Feldons Haustür. Er drehte sich um und watschelte die Treppen runter, ein winziges Handy am Ohr. Ich nahm die Akte vom Rücksitz und betrachtete das Bild, das ich von Quinns Kanzlei bekommen hatte.
«Das ist er», sagte Neil.
«Ach, dann hast du ihn also doch schon mal gesehen?»
Neil schaute mich verwirrt an. «Das ist John.»
Ich betrachtete erneut das Foto und zeigte es dann Neil. Neils Kumpel John und Vincent Feldon waren ein und dieselbe Person.
Ich rief Larry Quinns Kanzlei an, doch er war unterwegs und nur auf dem Handy zu erreichen.
«Hör mal», sagte Neil, als ich in meinem Handy nach Quinns Nummer suchte. «Ich hab mich hier zu nichts verpflichtet. Ich möchte nichts damit zu tun haben, wenn er hochgenommen wird.»
«Niemand will ihn hochnehmen», entgegnete ich. Dann meldete sich Larry Quinn. «Larry, hallo, hier ist Keye. Hast du kurz Zeit?»
«Keye, alles klar? Mein
Weitere Kostenlose Bücher