Cut
Mord zeichnet Kinder, macht sie zu Waisen und reißt Familien auseinander. Ich wollte, dass dieser Mörder geschnappt wurde.
Meine Gedanken schweiften weiter. Zivilklagen und Zivilrechtsanwälte. Was haben sie gemeinsam? Richter, Sekretäre,Gerichtsdiener, Stenographen, ein Gerichtsgebäude. Das war es!
Das Gerichtsgebäude
. Ist dort der Fahrstuhl, den der Mörder in seinem Brief erwähnt hat? Hat der Mörder dort David Brooks gesehen? War das Gerichtsgebäude von Fulton County in Atlanta das Jagdrevier eines Serienmörders?
17
N ie war jemand anders als Rauser selbst an sein Telefon gegangen, wenn ich ihn anrief. Noch nie. Ihre Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich war so verblüfft, dass ich sie nicht gleich einordnen konnte.
«Aaron, es ist für dich», rief sie.
Aaron?
Ich hörte ein Rascheln, der Hörer wurde weitergereicht, gedämpftes Lachen. «Wer nennt dich so?», fragte ich, als er sich schließlich meldete.
«Eine Freundin», sagte er geheimnisvoll. Seine Stimme klang belegt, ich kannte diesen Tonfall genau. Zu viel Whiskey und zu viele Zigaretten.
«Weißt du, was daran nicht stimmt, Rauser? Du hast keine Freunde», witzelte ich, doch am liebsten hätte ich ihn angebrüllt und mit geballten Fäusten auf seine Brust getrommelt. Mein Gott, es fühlte sich an, als würde er mich betrügen. Er hatte mir nicht einmal erzählt, dass er jemanden kennengelernt hatte.
«Es ist Jo», flüsterte er verschwörerisch, und ich erkannte auch diesen Ton. Er prahlte, mein Gott, er prahlte mir gegenüber tatsächlich mit seiner Eroberung und flüsterte, damit sie ihn nicht hören konnte.
Jo? Wer zum Teufel ist Jo?
Verwirrt durchforstete ich mein löchriges Gedächtnis, bis die Verbindung hergestellt war.
Die Blutspurenexpertin! Die sagt Aaron zu ihm. Jo Phillips, die amazonenhafte,
bescheuerte Blutspurenexpertin!
Deshalb war sie also neulich Nacht am Tatort so vertraut miteinander gewesen. Die beiden hatten eine Geschichte laufen. Wann war Rauser schon einmal so fröhlich und humorvoll an einem Tatort gewesen? Sie hatten tatsächlich miteinander geflirtet, während David Brooks mit dem Gesicht in seinem Blut lag! Und ich dachte, sie macht
mich
an. Ich bin eine Idiotin. Dann fiel mir ein, dass ich Rauser vor ein paar Nächten eine SMS geschickt und keine Antwort erhalten hatte. Ich sank aufs Hotelsofa. Durch die Telefonleitung konnte ich Eis in einem Glas klirren hören. Rauser liebt Eistee. Er kann ihn literweise trinken, süßen Eistee mit viel Zucker. Ich stellte mir vor, wie er mit dem zwischen Ohr und Schulter geklemmten Telefon in seinen Garten schlendert und sich auf die Terrasse setzt, die er eigenhändig gebaut hat, die Sonne im Rücken und ein Glas in der Hand. Er pflegt Liebestöter zu tragen, billige Unterhosen, die man in Dreierpackungen im Supermarkt kriegt.
Ich berichtete ihm, was Neil herausgefunden hatte und dass das Gerichtsgebäude in Fulton der zentrale Ort sein könnte, wo der Täter seine Opfer aufspürt und wo David Brooks und die anderen, die mit Prozessen zu tun hatten, ihrem Mörder begegnet waren.
«Wahrscheinlich bekommt er Kopien aus der Verwaltung. Wird dort Buch darüber geführt, wer Akten mitnimmt?»
«Das werde ich jedenfalls herausfinden», sagte Rauser aufgeregt. «Ich bin schon dort gewesen, wenn Kuriere Gerichtsakten abgeholt haben. Vielleicht ist es ein Kurier. Und jeder mit einem Aktenzeichen, einem Datum und drei Dollar kann Kopien kriegen. Mein Gott, Keye, das ist großartig. Ich danke euch. Mannomann. Ich lasse mir von der Sicherheitsfirma, die das Gericht überwacht, die Bänder geben. Die haben dort haufenweise Kameras. Außerdem stelle ich sofortein paar Beamte dorthin ab und lasse die Gerichtsmitarbeiter an den Sicherheitskontrollen befragen. Die wissen, wer kommt und geht. Warte mal einen Moment, ja? Ich muss Jo tschüs sagen.»
Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Möglich, dass meine Augen ein bisschen hervortraten. Ich hörte gedämpfte Stimmen, Gelächter.
O bitte
. Nachdem er mich zu lange hatte warten lassen, kehrte das undankbare Arschloch ans Telefon zurück und sagte: «Tut mir leid, Jo musste weg.»
«Wird eine neue Staffel von
Xena
gedreht?», fragte ich. Ich bemühte mich nicht, meine Verärgerung zu verbergen.
Mr. Sensibel lachte und machte Fauch- und Heulgeräusche, mit denen Männer überall auf der Welt Frauenrivalitäten meinen.
Nachdem ich aufgelegt hatte, tigerte ich durch mein Zimmer und konnte mich gar nicht mehr
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