Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
zwingt sie loszulassen. Ein harter Tritt trifft ihren Magen, aber es spielt keine Rolle. Sie reißen an dem Schwert, aber sie müssten sie umbringen, bevor sie loslassen würde.
„Genug!“
Es ist eine dunkle weibliche Stimme. Voller Kraft und Zorn. Es ist eine gute Stimme. Die Männer hören auf, an dem Schwert zu ziehen, und laufen davon; laufen sehr schnell davon. Dann hört sie das Rascheln von Stoff und sie spürt den Blick ihrer Retterin. Eine Hand streicht ihr die Tränen aus dem Gesicht. Die Hand ist schlank und sie riecht so gut, wie ihre Mutter immer gerochen hat. Sie öffnet die Augen und blickt in das Gesicht einer Göttin. Zumindest scheint es ihr so. Die Elfin ist wunderschön, ihr dickes rotes Haar fällt in wilden ungebändigten Wellen ihren gesamten Rücken hinab und ist nur wenige Nuancen heller als der blutrote Talar, in den ihre schlanke Gestalt gehüllt ist. Ihr schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen lächelt sie freundlich an. An der rechten Schläfe trägt sie die Tätowierung eines bunten Vogels, dessen Schwanzspitze wundervoll geschwungen unter ihrem Auge ausläuft.
„Ist gut, Kleine. Du bist jetzt in Sicherheit.“ Die Stimme ist tröstlicher als das, was sie sagt. Die strahlend grünen Augen der Fremden haben einen seltsamen Glanz, doch was spielt das für eine Rolle? Alles was zählt ist, dass sie lächelt, sie beschützt und eine Schulter zum Ausweinen hat. Voller Inbrunst umarmt sie den schlanken wohlduftenden Körper, lässt sich von dem weichen Talar einhüllen und benetzt die Fremde mit Tränen, von denen sie nicht wusste, dass sie sie noch weinen kann.
Widerlicher metallischer Geschmack war der erste Eindruck, mit der sie die wirkliche Welt begrüßte. Ihrem ersten Impuls folgend wollte sie wie immer nach dem Schwert greifen, doch ihre Hand lag bereits fest und sicher um den schweren Griff ihres Beschützers. Gleich darauf spürte sie, wie eine scheußliche Mischung aus Schweiß und Blut ihre Haut spannte.
Licht brandete gegen ihre geschlossenen Lider. Warmes einschmeichelndes Licht. Mühsam schüttelte sie den Traum ab und rekonstruierte aus den Erinnerungen der vergangenen Nacht, wo sie sich befand.
Sie hatte es Glanores Bande gezeigt. Ein für alle Mal. Sie hatte die Bande ausgelöscht, die Sklaven befreit und das Haus niedergebrannt. Sie hätte beinahe frei sein können, doch die Träume griffen weiterhin wie körperlose Schatten der Vergangenheit nach ihr und ließen sie nicht zur Ruhe kommen.
Fast körperlich überfiel sie der Schmerz, als ihr Gedächtnis sie an Mynoras Tod erinnerte. Zahllose Bilder von ihrer auch in schlimmsten Zeiten immer lachenden, immer fröhlichen und immer treuen Freundin zogen vor ihrem inneren Auge vorbei. Mynora, wie sie darauf bestand, ihr die verkletteten Haare zu bürsten; Mynora, die ihr zeigte, wie man Passanten um ihre Barschaft erleichterte und sich diese hinterher noch bedanken zu lassen; Mynora ... sie war der einzige Mensch gewesen, den sie in diesem Leben gehabt hatte und hinterließ nichts als eine erstickende graue Leere.
Doch Cvon hielt nichts von sinnlosem Gejammer. Was auch passierte, sie hatte ihren Beschützer, sich selbst und die Erinnerungen an die geliebte Freundin. Sie machte so etwas beileibe nicht das erste Mal durch und war durch jeden Verlust nur stärker geworden. Sie würde Mynoras Andenken ehren, indem sie weiterhin für das einstand, was ihr am Herzen gelegen hatte. Auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, wie sie sich um Mynoras Schützlinge kümmern sollte, wenn sie selbst kaum klarkam. Sie würde einen Weg finden.
Erst jetzt erregten die lauten Stimmen vor der Tür ihre Aufmerksamkeit. Im gleichen Moment wurde ihr bewusst, dass es genau diese Stimmen gewesen waren, die sie aus den verschwitzten Klauen ihrer furchtbaren Träume gerissen hatten. Doch sie war alles andere als dankbar. Seit sie im Metgesang wohnte, herrschte auf den Fluren der Schlaftrakte Ruhe. Und für Cvon gab es kaum etwas Respektloseres, als andere nur deshalb um ihren Schlaf zu bringen, weil man seine geräuschintensiven Beschäftigungen gerade da auslebte, wo einem danach war. Doch heute waren die Störenfriede eine willkommene Ablenkung von den düsteren Gedanken, die durch ihren Kopf kreisten.
Umständlicher als sonst erhob sie sich von ihrem Lager. Ein paar Kratzer erinnerten sie mit erträglichem Brennen daran, dass der Abschaum seine Auslöschung nicht widerstandslos hingenommen hatte. Doch sie und ihr Beschützer
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