Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
schwarzen Punkte in seinem Gesichtsfeld an. Ihr Blick holte ihn vom Rande der Ohnmacht zurück. Widerwillig ließ sie von der Wunde ab und schenkte ihm ein Lächeln, das die letzten Tropfen Blut seine Wangen fluchtartig verlassen ließ. Ohne den Blick von ihm zu nehmen, reinigte sie auf die gleiche Weise den Rest seines Oberkörpers und Arlton wusste mit einem Mal sehr genau, wohin all der Lebenssaft aus seinem Gesicht verschwunden war. Dem amüsierten Spott in Tia-Lhors Augen entnahm er, dass auch sie es wusste.
„Genießer“, hauchte sie mit blutverschmierten Mund keinen Zentimeter neben seinem Ohr und sorgte so dafür, dass auch sein Gesicht wieder Farbe bekam. Er staunte darüber, wo er all die Körperflüssigkeit hernahm. In ihrer raubtierhaften Art stand sie auf und plötzlich bestand die Welt nicht mehr nur aus ihnen beiden, sondern aus einer Lichtung voller Zuschauer. Die Gesichtsausdrücke derer ringsum schwankten zwischen Ekel, Entsetzen, Neugier und Verständnislosigkeit. Selbst Nishun, die ihn sonst nicht einmal wahrnahm, starrte sie an.
Tia-Lhor schienen die Anwesenheit der Anderen nicht zu berühren. Sie sah ihn weiterhin mit diesem merkwürdigen Blick an und säuberte in bewährter Art ihre Finger. Mit einer herrischen Handbewegung machte sie Vladin deutlich, dass Arlton jetzt sein Patient sei. Der Krieger begann in lastender Stille damit, die Blutung seines Kommandanten endgültig zu stillen und ihn zu verbinden. Tia-Lhor blieb noch mehrere Minuten an ihren Fingern lutschend dort stehen und sah ihnen zu. Ihr Gesicht und ihre Kleidung sah aus, als wäre sie in einem Schlachthof ausgerutscht. Schließlich sah sie an sich herunter und schüttelte in gespieltem Selbsttadel den Kopf. Dann zwinkerte sie Arlton schelmisch zu und verschwand im Wald, um sich ihrerseits zu reinigen.
Auf der Lichtung erwachte alles aus der Erstarrung. Man setzte eben unterbrochene Tätigkeiten fort und nahm neue Gespräche auf, die betont nichts mit Tia-Lhor oder Arlton zu tun hatten. Nur Vladins düsteres Gesicht blieb.
„Das ist Wahnsinn, Arlton“, raunte er.
„Ich weiß“, entgegnete er matt.
„Dann tu’ was!“ Vladin war zwar aufgebracht, dämpfte aber seine Stimme gerade so weit, dass die Anderen ihn nicht verstehen konnten. „Du darfst sie nicht von dir Besitz ergreifen lassen.“
„Wir sind alle Besitz, Vladin.“ Mit trüben Blick sah er den Freund an. „Dienst du nicht Vontares Willen? Tötest du nicht für ihn und für seine Schülerin?“
„Ich töte nicht für die beiden, sondern für die Sache.“
„Du kämpfst die Kämpfe, die Vontares und Nishun für kämpfenswert halten. Du tust haargenau das, was die beiden dir befehlen.“ Nie zuvor hatte Arlton so aufrührerische Gedanken ausgesprochen. Doch in seinem Zustand schien er beinahe frei von den Zwängen der Realität.
„Bist du noch zu retten? Was ist nur in dich gefahren, Frostgeist?“ Vladins Stimme war noch leiser geworden. Tiefe Sorge prägte seine Züge. „Sie ist ein Monster, siehst du das nicht?“
„Das wirst du in meiner Gegenwart nicht noch einmal wiederholen, oder du wirst meiner Klinge Rechenschaft ablegen“, brauste Arlton trotz seiner Schwäche auf. Vladin erbleichte. „Wie kannst du es wagen, andere als Monster zu bezeichnen und gleichzeitig Vontares dienen?“ Der Blutverlust zwang ihn zurück gegen den Baum. Keuchend legte er den Kopf zurück.
„Vontares ist ein Monster, aber er ist die einzige Hoffnung, Uvia’lys in elfischen Händen zu behalten.“
„In seinen Händen, meinst du. Er ist genau so sehr ein Elf wie Hsul.“
„Er entstammt dem ältesten Elfengeschlecht von ...“
„Was spielt es für eine Rolle, was er war? Es geht darum, was er ist!“ Vladin war perplex. Er schien den Freund, an dessen Seite er jahrelang gekämpft hatte, in einem völlig neuen Licht zu sehen.
„Und Tia-Lhor ist deiner Meinung nach elfischer als Vontares?“
„Nein. Sie ist ein Raubtier und zum Herrschen geboren. Sie ist jemand, der ...“
„Sie ist keine Elfin, Arlton.“
„Was bist du?“, fragte Arlton erbost. „Ein Rassist?“
„Ich glaube an die Überlegenheit der elfischen Rasse, ja. Kämpfen wir deshalb nicht hier?“
„Nein, ich kämpfe für den Erhalt unseres Erbes.“ Mit einem Funkeln der Entschlossenheit im Blick sah er Vladin an. „Ich kämpfe für eine Kultur, die nichts mit der Kurzsichtigkeit der Menschen zu tun hat, die auf die wirklich wichtigen Dinge der Existenz ausgerichtet ist. Kunst,
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