Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
„Überall Blut! Cvon ... sie ist schwer verletzt. Du musst helfen!“ Seine Erregung erodierte offenbar bereits seine sprachlichen Fähigkeiten und ließ ihn eine unangemessene Vertraulichkeit an den Tag legen. Bei Menschen waren dies Anzeichen für emotionale Überforderung, die häufig mit körperlicher Gewalt kompensiert wurde. Aus Sicherheitsgründen beschloss sie, den Ork wie einen Menschen zu behandeln.
„Meine heilerischen Fähigkeiten sind leider begrenzt“, meinte sie freundlich, beugte sich aber sogleich über den reglos daliegenden Körper der Kriegerin. Ein bemerkenswert gut gesetzter Pfeil hatte ihr linkes Schulterblatt durchschlagen und hätte nach ihren anatomischen Kenntnissen sofort tödlich sein müssen. Nur kurz schämte sie sich der Unzulänglichkeit ihres Wissens – sie würde die fehlerhaften Anatomiefakten später korrigieren – und fuhr mit der Untersuchung fort. Natürlich war die Schulter geschwollen, doch der scharfe Geruch von Ammoniak ließ sie vermuten, dass der Pfeil mit einer starken Giftkapsel versehen war. Und ein durchschnittlicher Mensch wäre allein durch den enormen Blutverlust dem Tod nahe gewesen. „Beeindruckend“ war ein nicht ausreichender Begriff dafür, dass die junge Menschenfrau immer noch lebte.
Mit der Routine einer Wissenschaftlerin griff sie nach dem Hals der Kriegerin, um den Puls zu fühlen. Doch Zentimeter über ihr riss sie die Hand zurück, als sei sie von einer unsichtbaren Schlange gebissen worden. Eine Schlange aus unvorstellbarem Zorn und Willen zur Vernichtung. Wie eine Welle aus Eis schlug kaum zu ertragende Wut und Aggression über ihr zusammen und ließ sie zurücktaumeln. Selbst Hrokis beherrschter Geist konnte nicht verhindern, dass sie augenblicklich verkrampfte. Fasziniert analysierte sie das ungewohnt flaue Gefühl in ihrem Magen und wurde beinahe ärgerlich, als Phalil sie in überzogener Fürsorge festhielt und damit die Reinheit der Empfindung störte.
„Geht es Euch nicht gut, Erhabene?“
„Mir fehlt nichts“, meinte sie und schüttelte entschieden seine Hände ab. Wenn sie doch auch die Trägheit ihres Geistes auf so leichte Weise loswerden könnte! Ohne sich weiter um den Elfen zu kümmern, versuchte sie, ihren Verstand auf die Suche nach der Ursache der merkwürdigen Empfindung zu fokussieren.
„Es ist das Schwert, nicht wahr?“ überraschte sie dieser Ork ... ja, er hieß immer noch Loric. Augenblicklich stimmten ihre arcanen Sinne dem unerwarteten Hinweis zu. Wie konnte ein Ork nicht nur besser als Phalil verstehen, was in ihr vorging, sondern sogar richtige Schlüsse im Hinblick auf magische Realitäten ziehen? Offensichtlich hatte sie Cvons orkischen Begleitern bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sie würde erheblich an sich arbeiten müssen, wenn sie ihrem Erbe als Hsuls Tochter gerecht werden wollte.
Nickend sah sie zu ihm hoch. Doch der grüne Riese griff bereits mit größter Selbstverständlichkeit nach der wuchtigen Waffe und entfernte sie mit einigen unbeholfenen Bewegungen aus der originellen Haltevorrichtung. Staunend bemerkte sie, dass er leise mit dem Schwert sprach. Ihre Sinne nahmen nichts weiter wahr, doch auf einer unvertraut emotionalen Ebene spürte sie, wie sich Schmerz und Entsetzen von Ork und Waffe miteinander ... verwoben? Außerordentlich interessant. War er eine Art Shamane?
Hroki beschloss, sich später mit den ungewohnten Eindrücken und der Beziehung zwischen dem Schwert und Loric zu befassen. Gewissenhaft prüfte sie Cvons Lebenszeichen und kam immer wieder zu dem Punkt, an dem sie nur staunen konnte, dass die Kriegerin noch lebte. Schließlich erkannte sie die Unzulänglichkeit ihrer Fähigkeiten.
„Wenn ihr überhaupt jemand helfen kann, dann ein Priester. Aber ich erwarte, dass ihr Tod eintreten wird, bevor wir einen solchen treffen.“ Die Aura von Ork und Schwert überschütteten sie mit ungezügeltem Zorn und Verzweiflung. „Aber wenn wir es versuchen wollen, sollte ihr jemand etwas gegen das Gift geben“, beeilte sie sich weiterzusprechen, um eventuellen Tobsuchtsanfällen vorzubeugen. Sie reichte dem Ork eine kleine Phiole und hinterließ detaillierte Anweisungen, wie der Inhalt anzuwenden war.
Hroki selbst wandte sich zum Gehen; jemand anders benötigte ihre Aufmerksamkeit.
„Ich werde nach Blok sehen“, meinte sie und setzte sich in Richtung der Anhöhe in Bewegung. Natürlich machte Phalil Anstalten, sie zu begleiten, aber sie musste allein gehen. Wenn Blok
Weitere Kostenlose Bücher