Cyber City
Körpersprache zu verstehen, und machte aus nichts ein Zeichen. Sie sagte: »Ich hatte heute morgen Reklame in der Mailbox. Sie sah dir ziemlich ähnlich.«
»Wie schmeichelhaft? Und was wollte ich dir verkaufen?«
»Die Kirche Des Gottes, Der Keinen Unterschied Macht.«
Er lachte. »Jedesmal, wenn ich das höre, denke ich, die Leute müßten sich umbenennen! Ein Gott, der keinen Unterschied macht, verdient weder den bestimmten Artikel noch das Relativpronomen.«
»Ich werde das Programm noch einmal laufen lassen, dann könnt ihr das miteinander besprechen.«
»Nein danke.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Und außer Werbung war nichts? Kein Auftrag?«
»Nein.«
»Also … wieder ein sterbenslangweiliger Tag vor dem Bildschirm?«
»Größtenteils.« Maria zögerte. Wenn Aden nachfragte, dann gewöhnlich nur, wenn er selbst eine Neuigkeit zu verkünden hatte – sie war neugierig, herauszufinden, was es war. Er wollte nicht freiwillig damit herausrücken, deshalb erzählte sie von ihrem Erlebnis mit dem Projekt Schmetterling.
Aden sagte: »Ich erinnere mich, davon gehört zu haben. Aber ist das nicht eine Sache, die erst irgendwann in den nächsten Jahrzehnten geplant ist?«
»Die eigentliche System schon, aber die Simulationen haben begonnen. Und zwar im großen Stil.«
Er verzog schmerzlich das Gesicht. »Wetterkontrolle? Was glauben die denn, womit sie da herumspielen?«
Maria unterdrückte ihre Verärgerung. »Die Theorie muß vielversprechend aussehen, sonst hätten sie es gar nicht bis zum gegenwärtigen Stand entwickelt. Niemand gibt einige Millionen pro Stunde für Rechenzeit am SNV aus, wenn er nicht überzeugt ist, daß es sich lohnt.«
Aden kicherte. »Das glaubst auch nur du! Gewöhnlich heißt es immer ›Projekt Soundso‹. Erinnerst du dich an Projekt ›Leuchtender Pfad‹?«
»Sicher.«
»Sie wollten die ganze obere Atmosphäre mit Nanomaschinen spicken, die die Temperatur messen – und angeblich irgendwie auch beeinflussen sollten.«
»Indem sie Partikel erzeugten, die bestimmte Wellenlängen der Sonnenstrahlung reflektierten oder sie, bei Bedarf, auch wieder vernichteten.«
»Mit anderen Worten – man wollte den ganzen Planeten in eine Isolierdecke packen.«
»Was ist daran so schlimm?«
»Du meinst, abgesehen von der unglaublichen Technokraten-Hybris und der Tatsache, daß es – immer noch, Gott sei Dank! – verboten ist, irgendeine Art von sich replizierenden Maschinen in die Umwelt zu bringen? Es hätte nicht funktioniert! Es gab Komplikationen, die niemand vorhergesehen hatte – Luftströmungen, unkalkulierbaren Austausch zwischen verschiedenen Luftschichten, wenn ich mich recht erinnere –, die jeden möglichen Effekt zunichte gemacht hätten.«
Maria sagte: »Richtig, aber wie hätte man davon erfahren sollen, wenn man nicht zuerst mit Simulationen gearbeitet hätte?«
»Gesunder Menschenverstand. Diese ganze Idee, mit geballter Technik auf Probleme loszugehen, die die Technik erst hervorgebracht hat …«
Maria fühlte, wie ihre Geduld langsam schwand. »Was würdest du denn lieber tun? Dich demütig vor der Natur verneigen und hoffen, daß sie sich dafür erkenntlich zeigt? Du meinst, daß Mutter Gaia uns verzeiht und alles wieder in Ordnung bringt, wenn wir dieses Computer-Teufelszeug auf den Müll werfen und geloben, nie wieder auf eigene Faust etwas zu unternehmen? Gaia wird's schon richten …?«
Aden verzog das Gesicht. »Keineswegs – aber der einzige Weg, die Dinge zu richten, ist, weniger anstatt mehr auf diesen Planeten einzuwirken. Statt gigantische Projekte zu entwerfen, die alles wieder ins Lot rücken, sollte man sich zurückziehen, die Dinge sich selbst überlassen. Auf die Selbstheilungskräfte vertrauen!«
Maria war amüsiert. »Dafür ist es zu spät. Wenn man vor hundert Jahren angefangen hätte … vielleicht. Dann wäre einiges anders gelaufen. Aber jetzt genügt das nicht mehr, der Schaden ist zu groß. Auf den Zehenspitzen durch die zerstörte Umwelt zu schleichen und zu hoffen, daß sich unser Ökosystem von selbst wie von Zauberhand regeneriert – und noch vorsichtiger zu schleichen, wenn sich die Erdbevölkerung wieder einmal verdoppelt hat – , wo soll das denn hinführen? Das natürliche Gleichgewicht ist nur noch ein Artefakt, künstlich wie … das Mikroklima einer Großstadt. Das macht mir keine Freude, aber so ist es nun mal.
Und da wir eine künstliche Welt geschaffen haben, absichtlich oder nicht, sollten wir
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