Cyber City
beobachtete: Sie legten so viel Gefühl in etwas, das man nicht zur Kenntnis nahm, ganz abgesehen davon, daß sich die Bands gegenseitig nicht sehen konnten und nur sie als Zuschauerin alle sah.
Nach einer Weile brach Aden das Schweigen: »Du kannst es dir in aller Ruhe überlegen. Das akademische Jahr beginnt am neunten Januar, in zwei Monaten.«
»Wollen sie nicht schon lange vorher wissen, wie du dich entschieden hast?«
»Ich muß bis Montag Bescheid geben – aber ich denke nicht, daß das mit der Unterbringung eine große Sache wird. Ich meine, letztlich ist es egal, wenn ich allein in einer Wohnung für zwei sitze.« Er setzte eine Unschuldsmiene auf und sah sie an, als wäre es ganz allein ihr überlassen, ob er eine Chance wie diese ausschlug – nur weil sie nicht mitkommen wollte.
Maria sagte: »Natürlich ist es das. Wie dumm von mir.«
Wieder zu Hause, konnte Maria nicht der Versuchung widerstehen, sich einzuklinken und die Nachrichten durchzugehen. Projekt Schmetterling hatte die Rechenkapazität zurückgegeben. Ihr Informationsspürer OMNIAVERITAS hatte nichts weiter von einem heraufziehenden Taifun in dieser Region gehört. Vielleicht war die Vorhersage falsch gewesen, und er hatte sich nicht gebildet. Oder er war noch immer im Anmarsch – aber die Simulation war längst abgeschlossen und zu einem negativen Ergebnis gekommen. Eine merkwürdige Vorstellung: daß alles vorbei sein konnte, bevor der Sturm sich überhaupt gebildet hatte … wenn es Nachrichten über Wetterereignisse gab, dann würden sie wahrscheinlich keine Ähnlichkeit mit dem haben, was passiert wäre, wenn die Bojen zur Wetterkontrolle in Funktion gewesen wären. Die einzigen Daten aus der wirklichen Welt, die man für das Modell brauchte, waren die Momentaufnahmen der irdischen Wetterbedingungen am Ausgangspunkt zu der Zeit, als die Simulation begann.
Die BIPS-Kosten waren immer noch um die Hälfte teurer als gewöhnlich, denn jetzt drängten die üblichen Klienten auf den Markt, um ihre unterbrochenen Geschäfte endlich abzuschließen. Maria zögerte; sie brauchte etwas Aufmunterung, aber jetzt in das Autoversum zu gehen wäre teuer. Eigentlich sollte sie lieber bis zum anderen Morgen warten.
Sie meldete sich beim SNV an, schlüpfte in ihre Datenhandschuhe und aktivierte die Arbeitszone. Ein Sinnbild erschien – ein Männchen, das auf einer Bananenschale ausgerutscht und mitten im Fall erstarrt war – es repräsentierte die Arbeit, die sie von einem Augenblick zum anderen hatte abbrechen müssen. Sie tippte darauf und fand im selben Moment die Petrischalen vor sich aufgereiht. Die Bakterien wuchsen weiter vor sich hin, teilten sich, starben – als hätte es die Unterbrechung von fünfzehn Stunden nie gegeben.
Sie hätte Aden ins Gesicht sagen sollen: ›Du willst allein nach Seoul gehen? Du willst ein Jahr Ruhe vor mir haben? Warum sagst du es nicht geradeheraus?‹ Er hätte es abgestritten, wahr oder nicht. Und sie hätte ihm nicht geglaubt, gelogen oder nicht. Warum also fragen, wenn die Antwort nichts brachte?
Es spielte auch keine Rolle, nicht jetzt: Seoul oder Sydney, ob er seine Ruhe wollte oder nicht. Diesen Ort konnte sie immer erreichen, wo sie auch war – geographisch oder gefühlsmäßig. Sie starrte in die Arbeitszone, ließ einen behandschuhten Finger über den Rand einer Petrischale kreisen und murmelte spöttisch: »Ich heiße Maria und bin eine Autoversum-Süchtige!«
Vor ihren Augen begann sich die Kultur der Schale, die sie berührt hatte zu verfärben. Aus dem schmutzigen Grün wurde ein reines Braun. Dann, als die Grafiksoftware die abgestorbenen A. lamberti nur noch als eine Ansammlung organischer Moleküle klassifizierte, wurde der Inhalt der Schale transparent.
Als die braune Masse verschwand, bemerkte Maria etwas, was die ganze Zeit ihrer Aufmerksamkeit entgangen war.
Ein winziger Fleck von leuchtendem Blau.
Skeptisch vergrößerte sie das Bild. Sie wollte sich nicht zu früh freuen. Der Fleck wurde zu einem kleinen Klumpen überlebender Bakterien, die sich immer noch vermehrten. Das sagte noch gar nichts. Es gab immer Stämme in einer Kultur, die widerstandsfähiger waren als andere; wenn man wollte, konnte man es »natürliche Auslese« nennen – und bloß den am längsten überdauernden Dinosaurier entdeckt zu haben war nicht der Triumph, nach dem sie strebte.
Sie erzeugte ein Histogramm, das die Verteilung verschiedener Formen der Epimerase in den einzelnen Kulturen zeigte – dem
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