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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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zumute ist. Wenn Elisabeth glaubt, in meinem Leben mitbestimmen zu müssen, dann soll sie das gefälligst mit mir klären!«
    Paul wußte, was passieren würde. Wenn er abgeschaltet war, dann würde Durham ihn nicht wieder in Betrieb nehmen, sondern noch einmal von vorn beginnen und einiges ändern, um vielleicht einen weniger schwierigen Gefangenen zu haben. Vielleicht würde er die ersten Experimente nicht einmal wiederholen.
    Die Experimente, die zu seiner Erkenntnis geführt hatten.
    Die ihn zu dem gemacht hatten, was er war.
    Zschwitt. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Es ist nur vorübergehend, das verspreche ich.«
    »Nein! Dazu hast du kein Recht!«
    Durham zögerte. Paul fühlte sich wie betäubt; er konnte es nicht fassen. Ein Teil von ihm weigerte sich, die Gefahr zur Kenntnis zu nehmen – wollte nicht wissen, daß der Tod so nahe, so einfach war. Er würde nicht sterben, weil er abgeschaltet wurde; daran würde er keinen Schaden nehmen, nicht das mindeste würde passieren. Er würde sterben, weil er nicht mehr eingeschaltet wurde. Ausgelöscht – nicht aktiv, sondern durch Nichtstun. Er wäre tot, weil man ihn ignorierte. Genau das, was auch mit seiner Scheiße passierte.
    Durham machte eine Handbewegung aus dem Blickfeld des Monitors hinaus.
     

13
    (Vergib nicht den Mangel)
    Februar 2051
     
    Maria sagte: »Wiederhole alle Berechnungen bis hin zu Epoche fünf, dann zeig mir den Sonnenaufgang auf Lambert. Breitengrad null, Längengrad null, Höhe eins.«
    Sie wartete und starrte in die leere Arbeitszone; sie mußte gegen die Versuchung ankämpfen, ihre Instruktionen abzuändern, um jeden einzelnen Schritt der Simulation zu beobachten – was die Berechnungen beträchtlich verlangsamt hätte. Nach einigen Minuten erschien eine zerklüftete, dunkle Ebene, über die sich vom Horizont her silberne Lichtfinger erstreckten. Eine namenlose, blendende Sonne hing tief über dem Horizont – viel zu groß, viel zu weiß – und machte aus einer Kette erloschener Vulkane im Gegenlicht eine schwarze, gezackte Silhouette, furchterregend wie das Gebiß eines Raubtiers. Die Planetenoberfläche im Vordergrund wirkte gläsern und lebensfeindlich.
    Maria wechselte die Perspektive, verlegte ihren Beobachtungspunkt auf eine Höhe von eintausend Metern und verschob ihn dann immer weiter nach Osten. Die Landschaft wiederholte sich monoton, unterbrochen nur von den zerfurchten, nun fest gewordenen Lavamassen gespenstisch regelmäßiger Vulkankegel. Die detaillierte Szenerie war nichts weiter als eine Serie digitalisierter »Künstlerischer Impressionen«, die auf Anforderung aus rein statistischen Daten der planetaren Topographie angefertigt wurden; die Simulation selbst berechnete keine Kleinigkeiten wie individuelle Vulkane. Marias Spaziergang über den Planeten war eine ressourcenverschwendende Methode, um sich über seine Beschaffenheit zu informieren – aber es fiel ihr schwer, nicht den Entdecker dieser fremden Welt zu spielen. Als müßte sie ihre Geheimnisse nach und nach aus dem erschließen,  was sie sah.  Doch das Gegenteil war der Fall … Zögernd hielt Maria das Bild an und rief die zugrundeliegenden Daten auf. Die Atmosphäre war schon wieder viel zu dünn. Und dieses Mal gab es außerdem so gut wie kein aqua.
    Sie folgte der Entwicklung des Modells rückwärts, um zu sehen, wann das aqua verlorengegangen war. Aber diese Version von Lambert hatte nie größere Ozeane besessen – auch keine Eiskappen oder wenigstens Wasserdampf in der Atmosphäre. Sie hatte die Zusammensetzung der Urwolke aus Gas und Staub geringfügig verändert, indem sie den Anteil blauer und gelber Atome erhöht hatte – in der Hoffnung, daß das zu einer Atmosphäre mit größerer Dichte führen würde. Statt dessen hatte sich die Hälfte der Materietrümmer im Kuiper-Gürtel zu einem neuen, stabilen äußeren Planeten verdichtet. Eine Konsequenz davon war, daß weitaus weniger Eiskometen bis zu Lambert vorgedrungen und dort eingeschlagen waren – was den Planeten seiner reichsten Quelle an aqua beraubt und zugleich die Entstehung einer Atmosphäre verhindert hatte. Die Gase aus den Vulkanschloten waren ein schlechter Ersatz; der Luftdruck blieb zu niedrig, die chemische Zusammensetzung stimmte nicht.
    Langsam wünschte Maria, sie hätte den Mund nicht so voll genommen. Fast eine Stunde hatte sie am Telefon verbracht, um Durham davon zu überzeugen, daß ein Planet mit astronomischer Umgebung und geologischer Vorgeschichte – bis

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