Cyber City
hin zur Entstehung seiner Sonne – einen Versuch wert war.
»Wenn wir diese Welt als vollendete Tatsache präsentieren – nach dem Motto: ›Seht, er kann im Autoversum existieren!‹ –, dann wird man uns entgegenhalten: ›Natürlich kann er existieren, wenn man ihn ins Autoversum bringt wie er ist, aber das beweist noch nicht, daß seine Entstehung dort jemals wahrscheinlich ist.‹ Wenn wir eine Reihe von Anfangsbedingungen vorzeigen könnten, die von alleine zu einem Planetensystem mit bewohnbaren Welten führen, dann sind wir einem wichtigen Gegenargument zuvorgekommen.«
Durham war schließlich einverstanden gewesen, und sie hatte auf ein Standardprogramm zum Entwurf von Planetensystemen zurückgegriffen – mit dem respektlosen Namen Laplacesches Roulette – und es an Physik und Chemie des Autoversums angepaßt. Nicht an die tiefschürfende Physik zellularer Automaten, die dem Autoversum zugrunde lagen, sondern an die makroskopischen Konsequenzen dieser Gesetze. Im wesentlichen bedeutete das, die Eigenschaften bestimmter Autoversum-Moleküle zu spezifizieren – Bindungsenergie, Schmelz- und Siedepunkte in Abhängigkeit vom Druck und so weiter. Aqua war nicht einfach ein anderer Name für Wasser, gelbe Atome waren nicht identisch mit Stickstoff – und obwohl manche chemischen Reaktionen so abliefen, als handelte es sich tatsächlich um das jeweilige Gegenstück aus der wirklichen Welt, so konnten in der gigantischen Fraktionierkolonne eines protostellaren Nebels winzige Differenzen in relativer Dichte und Diffusionsgeschwindigkeit wesentliche Auswirkungen auf die Bildung und Zusammensetzung von Planeten haben.
Es gab noch andere, grundlegendere Unterschiede. Weil es im Autoversum keine Kernkräfte gab, beruhte die Energieerzeugung der Sonne ausschließlich auf Gravitation – auf der Geschwindigkeit der Gasmoleküle, die diese durch den Kollaps der Urwolke gewonnen hatten. Im wirklichen Universum endeten Sterne, die nicht über genügend Masse zum Starten der Fusionsreaktion verfügten, als kurzlebige dunkle Zwerge – während die Physik des Autoversums durch gravitationsbedingte Aufheizung eines Sterns mehr als genug Energie für Milliarden von Jahren liefern konnte.
(Die Einheiten für Raum und Zeit waren strenggenommen nicht übertragbar – aber von einigen Pedanten abgesehen, wandte jedermann sie auch im Autoversum an. Wenn man den Durchmesser eines roten Atoms dem des Wasserstoffatoms gleichsetzte und das Durchqueren eines Raumelements pro Zeittakt der Lichtgeschwindigkeit, dann ergab das eine ganz brauchbare Übereinstimmung.)
Ähnlich galt für den Planeten Lambert, daß es zwar keine innere Aufheizung durch den Zerfall von Radioisotopen gab, daß aber die Gravitation bei der Kondensation der Gase für genügend Energie gesorgt hatte, um die tektonische Aktivität ebenso lange sicherzustellen, wie die Sonne brannte.
Ohne Kernfusion als Quelle der schwereren Elemente blieb ihre Herkunft ein Rätsel, weshalb man eine geeignete Gaswolke mit Spuren aller zweiunddreißig Elemente – sowie der richtigen Masse und Rotationsgeschwindigkeit – einfach voraussetzen mußte. Zu gerne hätte Maria die mögliche Herkunft der Wolke »erforscht«, doch wußte sie, daß das Projekt nie zu einem Ende kommen würde, wenn sie Durham immer neue Zugeständnisse abtrotzte, was die »Geschichte« des Planeten betraf. Es ging schließlich darum, die Möglichkeit der Entwicklung von Leben in seiner ganzen Vielfalt im Autoversum nachzuweisen, und nicht um das Erfinden einer Kosmologie.
Die Schwerkraft im Autoversum lag – nicht anders als diejenige der wirklichen Welt – in der klassischen, Newtonschen Physik »begründet«: Innerhalb des in Frage kommenden Bereichs war sie umgekehrt proportional dem Quadrat der Entfernung – so daß man die Bahngesetze der wirklichen Welt übernehmen konnte. Bei extremer Dichte würde der Aufbau des zellularen Automaten aus diskreten Elementen zu einer starken Abweichung führen, aber Maria hatte nicht die Absicht, ihr kleines Universum mit Schwarzen Löchern und anderen Phänomenen anzufüllen.
Tatsächlich hatte man die Schwerkraft lange Zeit als unbedeutenden Nebeneffekt von Lamberts ursprünglich gewählten Regeln für den Automaten angesehen – denn die Simulation eines ausreichend großen Autoversums war schlechthin unmöglich. Einige Leute hatten diesen »überflüssigen Ballast« aus dem Modell hinausrechnen wollen, doch es hatte sich als unmöglich erwiesen, wollte
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