Cyber City
spürte sie Erleichterung, daß er zu einem Kompromiß bereit gewesen war. Hätte er darauf bestanden, sein »Gedankenexperiment« in einer völlig leblosen Welt durchzuführen, dann hätte das Problem des Übergangs von unbelebter Materie zur einfachsten Lebensform des Autoversums jeden anderen Aspekt des Projektes erstickt.
Sie löschte den Wüstenplaneten Lambert und kehrte – wieder einmal – zum Urnebel zurück. Sie rief ein Pult mit Schiebereglern auf und änderte die Zusammensetzung der Gaswolke, indem sie den Betrag, um den sie die blauen und gelben Atome erhöht hatte, wieder um die Hälfte zurücknahm. Die Erschaffung einer Welt durch Würfelspiel.
Die Ausgangsbedingungen für die Entstehung erdähnlicher Planeten waren seit langem bekannt, doch niemand hatte sie am Autoversum ausprobiert. Niemand hatte einen Grund dafür gehabt.
Für einen Moment spürte Maria wieder dieses Unbehagen. Jedesmal, wenn sie daran dachte, daß ihre Welten niemals existieren würden – nicht einmal in der Art und Weise, in der eine Kultur A. lamberti »existierte«, erschien ihr das Projekt in einem anderen, unschönen Licht: eine Fata Morgana, die sich beim Näherkommen auflöste. Die Arbeit selbst war ein Genuß, eine Bereicherung – nichts, was sie lieber getan hätte. Doch wenn sie daran dachte, aus welchem Grund sie es tat – nicht im Autoversum, sondern in der wirklichen Welt –, dann schwindelte ihr. Was Durham an Gründen aufgezählt hatte, war verglichen mit der atemberaubenden inneren Logik des Projekts dürftig und wenig überzeugend. Bei jeder Pause, die ihr Gelegenheit zu einem noch so kurzen Nachdenken gab, hatte sie das Gefühl, als würde sie ihren Fuß vom festen Gestein eines Planeten nehmen, um dann erleben zu müssen, wie er sich vor ihren Augen zu einem an der Schnur baumelnden Luftballon verwandelte.
Sie stand auf und ging zum Fenster hinüber, schob den Vorhang etwas zur Seite. Die Straße unten war wie ausgestorben, der Beton gleißte im grellen Schein der Mittagssonne.
Durham bezahlte gut, gut genug, um den Scan Francescas durchführen zu können. Das war Grund genug weiterzumachen. Wenn das Projekt letzten Endes unnütz sein sollte, dann schadete es niemandem. Besser als die Arbeit an einem hedonistischen Freizeitpark oder einem interaktiven Kriegsspiel für psychisch gestörte Kinder. Sie ließ den Vorhang zurückfallen und ging wieder an ihre Arbeit.
Die Gaswolke schwebte in der Mitte der Arbeitszone, einigermaßen kugelförmig und sichtbar, obwohl es in diesem Universum keine Sterne gab, die Licht spendeten. Es war eine Schande, denn es bedeutete, daß die zukünftigen Bewohner von Lambert allein in ihrem Universum sein würden. Sie würden niemals anderen Lebensformen begegnen – es sei denn, sie würden eines Tages Computer bauen und fremde Planeten und ihre Bewohner simulieren.
Maria sagte: »Neue Berechnung bis hin zum Sonnenaufgang.«
Sie wartete.
Dieses Mal – wie definiert in Falschfarben – erschien die Sonnenscheibe am Horizont kirschrot, während sich über ihr ein dickes Wolkenband aus orangefarbenen und violetten Streifen über den Himmel zog. Und dieser Anblick wiederholte sich, stand Kopf, breitete sich auf schimmernder Fläche in alle Richtungen aus. Gespiegelt in den Wassern eines riesigen Ozeans.
Gegen Viertel vor acht dachte Maria daran, abzuschalten und sich nach etwas Eßbarem umzusehen. Sie war eher euphorisch als müde, aber sie wußte, daß sie sich dem Punkt näherte, an dem sie für die folgenden sechsunddreißig Stunden nicht mehr zu gebrauchen war, wenn sie nicht bald aufhörte.
Sie hatte eine ganze Reihe von Startbedingungen für die Gaswolke gefunden, die alle zu einladenden Versionen von Lambert führten, einschließlich der astronomischen Daten, die sie sich wünschte – mit Ausnahme des Mondes, der zwar nicht wichtig, aber doch eine hübsche Beigabe gewesen wäre. Morgen würde sie damit beginnen, A. lamberti mit dem nötigen Rüstzeug für das Überleben in dieser Umwelt zu versehen: Es mußte die Nutrose mittels Sonnenlicht aus Luft synthetisieren können. Pigmentmoleküle, die Licht zur Energiegewinnung nutzten, waren schon von anderen entwickelt worden; das unmittelbare Gegenstück des Chlorophylls im Autoversum besaß nicht die richtigen Eigenschaften, aber man hatte einige Ersatzverbindungen gefunden – die Frage war nur noch, welches dieser Moleküle am einfachsten in die Biochemie des Bakteriums zu integrieren sein würde. Die
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