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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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künstlichen, irrealen. Keine Welt, die du entdeckt hast, sondern eine, die eigens für dich geschaffen wurde.«
    »Entdeckt, geschaffen – was macht das für einen Unterschied!«
    Zschwitt. »Was willst du damit sagen? Daß es Einflüsse dieser anderen Welt waren, die die Rechner genau zu dieser Art von Berechnung gebracht haben?«
    »Natürlich nicht! Das Muster, das du eingegeben hast, ist nicht gestört worden; der Rechner hat genau das getan, was zu erwarten war. Das widerspricht aber nicht meiner Theorie. Denk nicht immer an Erklärungen, Ursachen, Wirkungen – es gibt nichts außer Mustern. Die verstreuten Einzelereignisse, die mein Bewußtsein gebildet oder geprägt haben, waren in sich – in ihrem Zusammenhang – nicht weniger konsistent als die Vorgänge in den Rechnern. Vielleicht waren die Computer nicht einmal für alle davon verantwortlich.«
    Zschwitt. »Wie meinst du das?«
    »Ich denke an die Lücken im Zeitablauf des ersten Experiments. Womit sind sie gefüllt? Woraus habe ich in jedem der Augenblicke bestanden, in denen der Computer mich nicht berechnet hat? Dieses Universum ist nicht gerade klein. Es gibt eine Menge von diesem Staub, der sich zu meinem Ich zusammenfügen könnte – immer dann, wenn kein errechneter Wert für mich existiert. Es gibt Unmengen von Einzelereignissen, die nicht das geringste mit deinen Computern zu tun haben, vielleicht nicht einmal mit dem Planeten oder der Zeitepoche, die du gerade erlebst. Genug Ereignisse, um zehn Sekunden bewußten Erlebens zu konstruieren.«
    Zschwitt. Der Dschinn sah ernstlich besorgt aus. »Du bist eine Kopie in einer virtuellen Umgebung, voll und ganz von einem Computer gesteuert. Nicht mehr und nicht weniger. Die Experimente beweisen, daß dein subjektives Empfinden bezüglich Raum und Zeit nicht vom jeweiligen Rechenmodus abhängt. Das ist genau das, was wir erwartet haben – du erinnerst dich? Komm wieder auf den Boden der Tatsachen. Jeder einzelne Zustand ist das Ergebnis einer Rechenoperation, deine Erinnerungen müssen genau dieselben sein, die sie auch ohne Manipulation wären. Du warst nicht in einer anderen Welt, du bist nicht aus Bruchstücken ferner Galaxien zusammengesetzt.«
    Paul lachte. »Deine Blindheit ist geradezu … lächerlich. Wozu hast du mich geschaffen, wenn du nicht einmal hören willst, was ich zu sagen habe? Ich habe einen Blick hinter die Kulissen erhascht, auf die verborgene Wahrheit über … Raum, Zeit, die Naturgesetze. Du kannst das nicht damit abtun, daß alles, was mir geschieht, unvermeidlich sein soll.«
    Zschwitt. »Versuchsobjekt und Kontrolle sind noch immer identisch.«
    »Natürlich sind sie das! Das ist es doch gerade! Es ist wie mit … der Schwerkraft und der Beschleunigung in der allgemeinen Relativitätstheorie: Sie beruhen darauf, was man unterscheiden kann und was nicht. Das ist ein neues Äquivalenzprinzip, eine neue Symmetrie zwischen verschiedenen Beobachtern. Die Relativitätstheorie hat ein Ende mit dem absoluten Raum und der absoluten Zeit gemacht. Wir machen ein Ende mit der absoluten Ursache und der absoluten Wirkung!«
    Zschwitt. Der Dschinn murmelte tief erschüttert vor sich hin. » … Elisabeth hat genau das vorausgesehen. Sie sagte, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis du den Sinn für die Realität verlieren würdest.«
    Paul starrte ihn an, und mit einem Mal war sein Höhenflug zu Ende. »Elisabeth? … Du hast gesagt, du hättest ihr nichts davon erzählt.«
    Zschwitt. »Ja, aber inzwischen habe ich sie eingeweiht. Ich habe es dir verschwiegen, weil ich befürchtet habe, ihre Reaktion würde dir nicht gefallen.«
    »Und die wäre?«
    Zschwitt. »Ich habe eine ganze Nacht mit ihr diskutiert. Sie wollte, daß ich dich abschalte. Sie meinte, ich müßte … ziemlich krank sein, so etwas überhaupt zu erwägen.«
    Das tat weh. Aufgebracht sagte Paul: »Was versteht sie schon davon! Laß sie reden!«
    Zschwitt. Durham lächelte schüchtern – ein Lächeln, das Paul zu verstehen geben sollte, daß er nicht gern tat, was er jetzt zu tun hatte. Paul kannte das Lächeln. Sein Herz drohte auszusetzen. »Vielleicht sollte ich dich für einige Zeit abschalten, um die Dinge noch einmal zu überdenken. Elisabeth hat schwere Einwände geäußert … ethische Fragen, die nicht von der Hand zu weisen sind. Ich sollte wirklich noch einmal mit ihr reden.«
    »Zum Teufel damit! Ich bin doch nicht hier – auch in deinem Interesse! –, damit du mich jedesmal auf Eis legst, wenn dir danach

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