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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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lassen. Das hat mich wirklich überrascht, alle dachten, sie würden auf ewig zusammenbleiben, aber man hat sie immer wieder mit Roni Jhutti gesehen. Sie war bei der Premiere von Prem Das , in einem hübschen Silberkleid, also glaube ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis wir ihre Heiratsanzeige lesen. Natürlich hat Lal Darfan alle möglichen Sachen über sie gesagt, dass sie faul und eine Schande ist. Ist es nicht seltsam, wie Schauspieler ganz anders als ihre Rollen in Stadt und Land sein können? Dadurch hat sich meine Meinung über Dr. Prekash ziemlich geändert.«
    Krishan blättert die dicken Hochglanzseiten um, die nach Petrochemie duften.
    »Aber auch sie sind doch gar nicht real«, sagt er. »Diese Frau war im wirklichen Leben nie verheiratet, sie war gar nicht zusammen mit einem anderen Schauspieler auf irgendeiner Premiere. Sie sind nur Software, die glaubt, eine andere Form von Software zu sein.«
    »Das weiß ich natürlich«, sagt Parvati. »Niemand glaubt, dass sie echte Menschen sind. Bei den Prominenten ging es noch nie darum, was real ist. Aber es ist nett, so zu tun, als ob. Es ist, als würde es noch eine zweite Geschichte zu Stadt und Land geben, aber eine, die mehr Ähnlichkeit mit unserem Leben hat.«
    Krishan schaukelt langsam vor und zurück.
    »Verzeihen Sie bitte, aber vermissen Sie Ihre Familie sehr?«
    Parvati blickt von den Glamour-Fotos auf. »Warum fragen Sie das?«
    »Mir ist nur aufgefallen, dass Sie Menschen, die nicht real sind, wie Familienmitglieder behandeln. Sie interessieren sich für ihre Beziehungen, für sämtliche Wechselfälle ihres Lebens, falls man es so bezeichnen kann.«
    Parvati zieht ihren Dupatta über den Kopf, um sich vor der hochstehenden Sonne zu schützen.
    »Ich denke jeden Tag an meine Familie, meine Mutter. Oh, ich möchte nicht zurück, nicht einen einzigen Moment, aber ich dachte, mit so vielen Menschen, wo so viel los ist, wenn ich in der Hauptstadt lebe, stünden mir hundert Welten offen, durch die ich streifen könnte. Aber hier ist es leichter, unsichtbar zu sein, als es das jemals in Kotkhai war. Hier könnte ich komplett verschwinden.«
    »Kotkhai, wo liegt das?«, fragt Krishan. Über ihm vermischen und verstricken sich die Kondensstreifen von Flugzeugen, von Aufklärern und Killern, die sich zehn Kilometer über Varanasi gegenseitig jagen.
    »Im Distrikt Kishanganj, in Bihar. Sie haben mir soeben etwas Seltsames bewusst gemacht, Mr. Kudrati. Ich maile täglich meiner Mutter, und sie erzählt mir von ihrer Gesundheit und wie es Rohini und Sushil und den Jungen geht, was all die Leute machen, die ich aus Kotkhai kenne, aber sie erzählt mir nie etwas über Kotkhai.«
    Also erzählt sie ihm von Kotkhai, weil sie es eigentlich sich selbst erzählt. Sie könnte zu den Ansammlungen von rissigen Lehmziegelhäusern zurückkehren, die sich um die Tanks und Pumpen drängen, sie könnte wieder über die leicht geneigte Hauptstraße mit den Geschäften und Werkstätten der Steinmetze unter den Markisen aus Wellblech spazieren. Dies war die Welt der Männer, die Tee tranken und Radio hörten und sich über Politik stritten. Die Welt der Frauen war draußen auf den Feldern, an den Pumpen und Tanks, denn Wasser war das Element der Frauen – und die Schule, wo die neue Lehrerin Mrs. Jaitly aus der Stadt abendliche Klassen abhielt und Diskussionsgruppen leitete und eine Mikrokredit-Genossenschaft aufbaute, die mit Eiergeld finanziert wurde.
    Dann veränderte sich alles. Lastwagen von Ray Power kamen mit Männern, die ein Zeltdorf errichteten, so dass es einen Monat lang zwei Kotkhais gab, während man für sie Windturbinen und Sonnenkollektoren und Biomasse-Generatoren baute und nach und nach jedes Haus, jeden Laden und jeden Tempel mit einem Netz aus durchhängenden Kabeln verband. Sukrit, der Batterieverkäufer, verfluchte sie, weil sie einem guten Mann das Geschäft ruiniert und eine gute Tochter in die Prostitution getrieben hatten.
    »Wir sind jetzt Teil der Welt«, hatte Mrs. Jaitly ihren Frauen in der Abendschule erklärt. »Unser Netz aus Kabeln verbindet uns mit einem anderen Netz, das wiederum mit einem größeren Netz verbunden ist, das uns schließlich mit einem weltweiten Netz verbindet.«
    Aber das alte Indien lag im Sterben. Nehrus Traum platzte aus den Nähten, unter dem Druck ethnischer und kultureller Aufspaltung und einer Umwelt, die von anderthalb Milliarden Menschen erdrückt wurde. Kotkhai brüstete sich damit, dass seine

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