Cyberabad: Roman (German Edition)
Kampf gegen unsere Nachbarn aufgenommen haben und sie vernichten wollen. Irgendwann kommt der Punkt, wo sie sich wehren, wie alles, was mit dem Rücken zur Wand steht, und dann wird es zu einem furchtbaren, erbitterten Kampf kommen. Es gibt keinen schlimmeren Kampf als den zwischen Göttern, und wir sind Götter füreinander. Für die Kaihs sind wir die Götter. Unsere Worte können das Erscheinungsbild ihrer Welt verändern. Das ist die Realität ihres Universums. Nichtmaterielle Wesen, die jeden Teil der Wirklichkeit widerrufen können, sind genauso fundamental für ihre Welt wie die Unschärferelation und die M-Stern-Theorie für unsere. Früher lebten wir in einem Universum, das genauso dachte, in dem die Geister und Vorfahren und alles andere durch die göttliche Welt zusammengehalten wurde. Wir brauchen uns gegenseitig, um unsere jeweiligen Welten aufrechtzuerhalten.«
»Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit«, sagt Kij leise. »Vielleicht muss es nicht zum Krieg kommen.«
Thomas Lull spürt einen Windhauch auf dem Gesicht, das ferne Tigerschnurren eines Donners. Es kommt.
»Das wäre doch mal was!«, sagt er. »Wenn es ausnahmsweise ganz anders laufen würde. Aber nein, wir leben im Zeitalter Kalis.« Er steht auf, klopft sich herangewehten Sand und menschliche Asche von der Kleidung. »Also komm mit.« Er streckt Kij eine Hand hin. »Ich gehe zum Computerinstitut der University of Varanasi.«
Kij legt den Kopf schief. »Professor Naresh Chandra ist heute da, aber du solltest dich beeilen. Du musst mir verzeihen, dass ich dich nicht begleiten werde, Lull.«
»Wohin gehst du?« Gesprochen wie ein gekränkter Liebhaber.
»Das Bharati National Records Office an der Raja Bazaar Road hat bis fünf Uhr geöffnet. Da alle anderen Methoden versagt haben, denke ich, das ein Mitochondrien- DNS -Profil mir verraten wird, wer meine wirklichen Eltern sind.«
Der zunehmende Wind zerzaust ihr kurzes Haar und lässt Thomas Lulls Hosenbeine wie Fahnen flattern. Unten auf dem plötzlich aufgewühlten Wasser steuern die Ruderboote dem Ufer zu.
»Bist du dir sicher, dass du das tun willst?«
Kijs Finger spielen unablässig mit dem Elfenbeinpferd. »Ja. Ich habe darüber nachgedacht, und ich will es wissen.«
»Dann viel Glück.« Ohne nachzudenken, gegen seinen Willen, umarmt Thomas Lull sie. Sie ist schlank und knochig und so leicht, dass er fürchtet, sie könnte wie etwas Gläsernes zerbrechen.
Thomas Lull bildet sich ein, die männliche Gabe zu besitzen, sich an Orten, die er ein einziges Mal besucht hat, fortan unfehlbar zurechtzufinden. Was der Grund ist, warum er sich innerhalb von zwei Minuten verlaufen hat, nachdem er aus dem Phatphat gestiegen ist, das ihn zu dem grünen Rasen der University of Bharat Varanasi gebracht hat. Das Gelände war zu achtzig Prozent Baustelle gewesen, als Thomas Lull dort seine Vorlesung vor dem im Entstehen begriffenen Computerinstitut gehalten hat.
»Entschuldigen Sie«, fragt er einen Mali, der während der schlimmsten Dürre in der kurzen Geschichte Bharats unerklärlicherweise Gummistiefel trägt. Hinter den hellen, luftigen Institutsgebäuden türmen sich die Wolken tief und dunkel, von zuckenden Blitzen gesäumt. Der heiße Wind weht jetzt stärker – der elektrische Wind. Er könnte diese zerbrechliche Universität in den Himmel emporreißen. Lass es regnen lass es regnen lass es regnen, betet Thomas Lull, als er am Chowkidar vorbei die Treppe hinaufrennt und durch die Doppeltür in das Institutsbüro stürmt, wo acht junge Männer und eine Frau mittleren Alters sich mit Soapi-Magazinen Luft zufächern. Er sucht sich die Frau aus.
»Ich möchte Professor Chandra sprechen.«
»Professor Chandra ist derzeit unabkömmlich.«
»Oh, ich weiß es von höchster Stelle, dass er hier in seinem Büro sitzt. Wenn Sie ihn bitte anrufen würden.«
»Das ist höchst regelwidrig«, sagt die Sekretärin. »Termine müssen im Voraus über sein Büro vereinbart und vor zehn Uhr früh am Montag in seinen Terminkalender eingetragen werden.«
Thomas Lull parkt seinen Hintern auf dem Schreibtisch. Sein Dickkopf macht sich bemerkbar, aber er weiß, dass man indischer Bürokratie nur mit Geduld, Bestechung oder einem hohen Rang beikommen kann. Er beugt sich vor und drückt sämtliche Knöpfe der Sprechanlage.
»Wären Sie so gut, Professor Chandra mitzuteilen, dass Professor Thomas Lull ihn dringend sprechen möchte?«
Hinten im Korridor öffnet sich eine Tür.
32 Parvati
Es hatte
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