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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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Thomas Lull bewegt sich schnell. Seine Finger spüren den Schlitz für den Speicherchip am Polizei-Palmer und schieben ihn auf. Ein Kratzen, er reißt die Hände zurück, dann wird es wieder hell. Tom Hanks ist an der Tür. Das Stimmengewirr wird zeitweise unterbrochen, Rufe und Antworten gehen hin und her. Als das Streichholz abgebrannt ist, glaubt Thomas Lull eine fluktuierende Linie aus Licht unter der Tür zu sehen, der zuckende Schein einer Taschenlampe. Er löst den Speicherchip. Ein weiteres Streichholz flammt auf. Jetzt ist die Tür offen, und Tom Hanks unterhält sich mit einem unsichtbaren Polizisten draußen im Korridor.
    »Was ist los? Wird Varanasi angegriffen?«, ruft Thomas Lull. Alles, was die Verunsicherung verstärken könnte. Das Streichholz erlischt. Thomas Lull zieht den Speicherchip aus seinem Palmer. Ein paar geschickte Handbewegungen, und er hat beide ausgetauscht.
    Er hat bei diesem Blick ins Innere von Kij weitere Phantome entdeckt, Phantome, die seinen Verdacht bestätigen könnten, was man mit ihr gemacht hat und warum.
    »Ihre Freundin ist entkommen«, sagt Tom Hanks und richtet einen Taschenlampenstrahl auf Thomas Lulls Gesicht. Im Halbdunkel schließen seine Hände die Schlitze.
    »Wie hat sie das geschafft?«, fragt Thomas Lull.
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten es mir erklären.«
    »Ich war die ganze Zeit hier bei Ihnen.«
    »Sämtliche Systeme sind ausgefallen«, sagt Tom Hanks. Sein Mund arbeitet in Doppelschichten. »Wir wissen nicht, wie weit der Stromausfall reicht. Es betrifft mindestens diesen Stadtteil.«
    »Und sie ist einfach hinausspaziert?«
    »Ja«, sagt der Polizist. »Sie werden sicher verstehen, dass wir Sie für weitere Befragungen hierbehalten müssen.« Ein Schwall Hindi in Richtung Stuhlschaukler, der aufsteht und die Tür schließt. Thomas Lull hört, wie ein Riegel alter Schule vorgeschoben wird.
    »He!«, ruft er in die Finsternis. Gedanken eines Mannes mittleren Alters in einem dunklen Verhörzimmer der Polizei. Seine Vermutungen, seine Berechnungen, seine Spekulationen schwellen zu raumfüllenden Ausmaßen an, zu Riesen aus Panik und Schock, die ihn bedrängen, die ihm die Luft aus den Lungen drücken. Die Nase zum Atmen, den Mund zum Sprechen. Den Geist für düstere Vorstellungen. Kalki. Sie ist Kalki, der letzte Avatar. Alles, was er braucht, ist der Beweis, der sich in die Scanneraufnahme eingebrannt hat.
    Nach einer zeitlosen Zeitspanne, die nach der Uhr an der Wand nur zehn Minuten beträgt, geht das Licht wieder an. Die Tür öffnet sich, und Tom Hanks tritt zurück, um einen Schwarzen in nassem Regenmantel eintreten zu lassen, der sofort seine Nationalität und Tätigkeit angibt.
    »Professor Thomas Lull?«
    Lull nickt.
    »Ich bin Peter Paul Rhodes vom Konsulat der Vereinigten Staaten. Bitte kommen Sie mit.«
    Er streckt eine Hand aus. Thomas Lull greift zögernd danach.
    »Was hat das zu bedeuten?«
    »Sir, aufgrund Ihres diplomatischen Status für das Außenministerium wurden Sie auf Befehl des Justizministeriums von Bharat meiner Obhut überantwortet.«
    »Außenministerium?« Thomas Lull ist sich bewusst, wie dämlich er klingt, dumm wie ein erwischter Taschendieb. »Senator Joe O’Malley weiß, dass ich mich in einer Polizeiwache in Bharat aufhalte, und wünscht, dass ich freigelassen werde?«
    »Korrekt. Man wird Ihnen alles erklären. Bitte folgen Sie mir jetzt.«
    Thomas Lull nimmt die Hand und schiebt gleichzeitig seinen Palmer in die Tasche. Tom Hanks führt sie durch den Korridor. In der Eingangshalle halten sich mehrere Polizisten und eine Frau auf. Sie erhebt sich von der Holzbank, auf der sie gesessen hat. Zu ihren Füßen hat sich eine Pfütze aus Regenwasser gebildet. Ihre Kleidung ist nass, ihr Haar ist nass, ihr Gesicht schimmert feucht und ist schmaler und älter, aber er erkennt sie sofort wieder, was den Wahnsinn der Situation keineswegs verringert.
    »L. Durnau?«

43 Thal, Najia
    Achteinhalbtausend Rupien genügen, um den Chowkidar zu bestechen. Er zählt die Scheine mit knochigen Fingern ab, während Najia Askarzadah im gläsernen und marmornen Foyer von Indiapendent tropft. Dann zieht er seine Masterkarte durch und namastiert sie durch die Hälften der Glastür.
    »Ich habe nie daran geglaubt, dass du es bist, Thalji«, ruft Pande, der Wachmann, ihnen hinterher, während er Najias Geld zusammenfaltet und in die Brusttasche seiner Jacke steckt. »Heutzutage können wir mit Bildern alles machen.«
    »Man hat auf mich

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