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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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normalerweise besser«, sagt die Kaih. »Ich habe genug von diesem bunten Humbug.« Er hebt die Hand in einer Mudra, und plötzlich befinden sich er auf seinem Musnud und Najia auf ihrem Fransenkissen in einem abgeschirmten Jharoka im Haveli in Brahmpur mit Blick auf den Innenhof. Es ist Nacht. Es ist dunkel. Regen prasselt auf die Jali-Holzwand. Najia spürt Spritzer auf der Haut, wo sie durch den Wandschirm aus Sandelholz dringen. »Meine größte Freude war die Feststellung, dass ein Politiker damit durchkommen kann, weniger real zu sein als ein Soap-Star.«
    »Haben Sie den Befehl gegeben, Thal töten zu lassen? Man hat Bernards Zimmer völlig zerschossen. Die Leute hatten Maschinenpistolen. Ihr Mann hätte ys am Bahnhof fast erwischt, wenn ich ys nicht gerettet hätte. Wussten Sie davon?«
    »N. K. Jivanjee bedauert das sehr, und er möchte Ihnen versichern, dass von ihm oder seinem Büro keine Anweisung erteilt wurde, ys zum Schweigen zu bringen. Die Dynamik eines menschlichen Mobs ist schwer vorherzusagen. In dieser Hinsicht ist die Politik leider nicht wie eine Soap, Ms. Askarzadah. Ich wünschte, ich könnte für Ihre Sicherheit garantieren, aber sobald solche Dinge in Bewegung geraten sind, ist es nahezu unmöglich, sie wieder in die Kiste zu sperren.«
    »Aber Sie – er – steckten hinter der Intrige, durch die Shaheen Badoor Khan bloßgestellt werden sollte.«
    »N. K. Jivanjee hatte Zugang zu Insider-Informationen.«
    »Innerhalb der Rana-Regierung?«
    »Innerhalb des Rana-Haushalts. Der Informant war Shaheen Badoor Khans eigene Ehefrau. Sie wusste seit vielen Jahren von seinen sexuellen Präferenzen. Außerdem ist sie eins der fähigsten Mitglieder meiner Strategiegruppe, die sich als Juristinnenzirkel bezeichnet.«
    Der Wind bauscht die hauchdünnen Seidenvorhänge in den Raum mit dem Marmorfußboden hinein. Najia nimmt einen Hauch Weihrauch wahr. Sie windet sich in journalistischer Begeisterung auf ihrem Kissen in der zugigen Jharoka. Diese Geschichte wird sie zur berühmtesten Autorin der Welt machen.
    »Sie hat gegen ihren eigenen Ehemann gearbeitet?«
    »So scheint es. Sie verstehen, dass Beziehungen unter uns Kaihs ganz anders strukturiert sind als bei Ihnen. Bei uns gibt es keine Entsprechung für sexuelle Leidenschaft und Verrat. Genauso wenig können Sie unsere hierarchischen Beziehungen zu unseren Manifestationen begreifen. Aber dies ist ein Fall, wo ich glaube, dass das Soapi-Prinzip ein passendes Vorbild für menschliches Verhalten darstellt.«
    Najia Askarzadah zückt ihre nächste Frage. »Ein Muslim, der für eine fundamentalistische Hindu-Partei arbeitet? Wie sieht die politische Realität der Shivaji aus?«
    Vergiss nie, dass du dich auf feindlichem Territorium befindest, ruft sie sich ins Gedächtnis.
    »Es war von Anfang an eine opportune Partei. Eine Stimme für die Stimmlosen. Ein starker Arm für die Schwachen. Seit der Gründung Bharats gab es entrechtete Gruppen. N. K. Jivanjee erschien genau im richtigen Moment, um einen großen Teil der Frauenbewegung zu katalysieren. Es ist eine deformierte Gesellschaft. In einem solchen Klima ist es leicht, politische Macht aufzubauen. Meine Manifestation konnte dem in die Zukunft gerichteten Druck der Geschichte einfach nicht widerstehen.«
    Warum?, fragen Najias Lippen, aber die Kaih hebt erneut die Hand, und der Haveli von Brahmpur B löst sich wirbelnd in einer Woge aus orangefarbenem und scharlachrotem Stoff auf. Dazu der Geruch nach billigem Holz, frischer Sprühfarbe und Glasfaserklebstoff. Bunte Göttergesichter, purzelnde Devis und Gopis und Apsaras, flatternde Seidenbanner. Sie wurde in die Rath Yatra versetzt, die Vahana dieser Entität hinter N. K. Jivanjee. Aber damit Najia Askarzadah die Macht würdigen kann, die dieses Spektakel inszeniert, ist es nicht die wacklige Soapi-Studio-Konstruktion, die sie im Lagerhaus an der Industrial Road gesehen hat. Dies ist der Triumphwagen eines Gottes, ein wahrer Monstertruck, der mehrere hundert Meter hoch über der ausgedörrten Gangesebene aufragt. Die Kaih hat Najia Askarzadah auf einen aufwändig geschnitzten Balkon transportiert, der auf halber Höhe der wogenden Fassade der Rath angebracht ist. Najia lugt über das Geländer und zuckt zurück. Was sie erschreckt hat, ist kein Schwindel, sondern es sind die Menschen. Ganze Menschendörfer, ganze Menschenstädte, eine schwarze Masse aus Körpern, die die Monstrosität aus Holz und Stoff und Göttlichkeit an Lederriemen durch das

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