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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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vorsichtig in den Wendebereich hinauf. Die Stelle ist gerade groß genug, so dass sich ein gekrümmter Körper im Vakuumanzug vielleicht nie mehr daraus befreien kann. Sie zieht eine Grimasse, als der Fels über ihre Schultern kratzt.
    Seit sie durch die Druckschleuse in das Ausgrabungszentrum von Darnley 285 ausgeschieden wurde, war alles beklemmend eng. In der ISS roch es muffig, doch in der Darnley-Basis herrscht ein Gestank, der einer konzentrierten Jahresdosis entspricht. Darnley ist eine instabile Trinität aus Weltraumwissenschaftlern, Archäologen und Ölarbeitern von der Nordküste Alaskas. Darnleys größte Überraschung war das, was die Bohrcrews entdeckten, als sie den Fels durchstoßen hatten und die Spycams hinunterließen. Es war kein Triebwerkssystem, kein phantastischer Sternenantrieb. Es war etwas ganz anderes.
    Der Anzug, den man ihr gegeben hatte, passte wie eine zweite Haut, ein Mikrogewebe dünner als ein Sauerstoffmolekül, hinreichend flexibel, um sich damit in den engen Räumen der Darnley-Basis bewegen zu können, und gleichzeitig stabil genug, um einen menschlichen Körper vor dem Vakuum zu schützen. Lisa hatte sich, während ihr immer noch schwindlig vom Transfer aus dem Shuttle war, an einen Handgriff in der Druckschleuse geklammert und gespürt, wie sich der weiße Stoff immer fester auf ihre Haut legte. Die Leute der Crew hatten sich einer nach dem anderen umgedreht und waren in das Kaninchenloch getaucht, das den Eingang zum Felsbrocken bildete. Dann war sie an der Reihe, ihre Klaustrophobie zu überwinden und in den Schacht zu gleiten. Uhren tickten. Sie hatte fünfundvierzig Minuten, um reinzugehen, sich mit dem zu beschäftigen, was auch immer im Herzen von Darnley 285 wohnte, wieder rauszukommen und Captain Pilot Beths Shuttle zu besteigen, bevor der Rückflug begann.
    Im Schlund des Asteroiden verschränkt Lisa Durnau die Arme vor der Brust, zieht die Beine an und macht einen Purzelbaum. Während sie sich am Seil nach unten hangelt, spürt sie ein klein wenig, dass etwas an ihren Füßen zerrt. Jetzt hat sie ein deutliches Gefühl von oben und unten, und ihr Magen gluckert, als er sich wieder in der natürlichen Richtung orientiert. Sie blickt zwischen ihren Füßen hindurch. Sam Raineys Kopf füllt den Schacht aus, umgeben von einem Halo. Da unten ist Licht.
    Ein paar hundert Knoten schachtabwärts, und sie kann sich abstoßen und in Hundert-Meter-Sprüngen dahinschweben. Lisa jauchzt. Sie findet die Mikrogravitation viel aufregender und befreiender als den aufgedunsenen, übelkeitserregenden freien Fall.
    »Vergessen Sie nicht, dass Sie wieder nach oben müssen«, sagt Sam.
    Weitere fünf Minuten später und weiter unten ist das Licht ein heller, silberner Schein. Lisas Körper schätzt die Schwerkraft auf die Hälfte ein, und sie wird von Meter zu Meter stärker. Ihr Geist rebelliert empört über die Vorstellung, im absoluten Vakuum Gewicht zu haben. Plötzlich verschwindet Sams Kopf. Sie drückt die Finger und Zehen gegen die Wand und blinzelt durch ihre Füße auf eine Scheibe aus silbrigem Licht. Sie glaubt, ein Spinnennetz aus Seilen und Kabeln zu sehen.
    »Sam?«
    »Klettern Sie nach unten, bis Sie eine Strickleiter sehen. Halten Sie sich gut daran fest. Dann werden Sie mich sehen.«
    Mit den Füßen voran und in einem viel zu engen Spermienanzug dringt Lisa Durnau in die Zentralhöhle von Darnley 285 ein. Unter ihr breitet sich das Netz aus Kabeln und Webleinen aus, das rund um das Dach der Höhle aufgespannt ist. Lisa setzt einen Fuß vor den anderen und arbeitet sich wie eine Seiltänzerin bis zu Sam Rainey vor, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Netz liegt.
    »Schauen Sie nicht hinunter«, warnt Sam sie. »Noch nicht. Kommen Sie hier herüber und legen Sie sich neben mich.«
    Lisa Durnau lässt sich bäuchlings auf eine Schlinge nieder und blickt hinunter ins Herz des Tabernakels.
    Das Objekt ist eine perfekte Kugel aus Silbergrau. Es hat die Größe eines kleinen Hauses und hängt genau im Schwerkraftzentrum des Asteroiden zwanzig Meter unter Lisas Visier. Es strahlt ein stetiges, mattes, metallisches Licht aus. Während sich ihre Augen an den Chromschimmer gewöhnen, werden ihr Variationen bewusst, ein wogendes Chiaroscuro auf der Oberfläche. Der Effekt ist subtil, aber nachdem sie darauf aufmerksam wurde, erkennt sie Wellenmuster, die aufeinandertreffen, miteinander verschmelzen und neue Beugungsmuster erzeugen, grau in grau.
    »Was passiert, wenn ich etwas

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