Cyberabad: Roman (German Edition)
den Kiefer.
»Das tat weh, Madar Chowd!«
»Da ist doch noch was, oder?«
»Du verdienst es nicht. Du verdienst, von den Dawoods mit einem Roboter aufgeschlitzt zu werden, Behen Chowd.« Sie zuckt, als Shiv wieder nach ihrem Gesicht greift. »Es ist eine kleine Sache, aber es könnte mehr drin sein. Eine ganze Menge mehr. Nur was abliefern. Wenn du’s richtig machst, sagen sie ...«
»Sagt wer?«
»Nitish und Chunni Nath.«
»Ich arbeite nicht für Brahmanen.«
»Shiv ...«
»Es geht ums Prinzip. Ich bin ein Mann mit Prinzipien.«
»Das Prinzip, von den Dawoods zu Kabob zerhackt zu werden?«
»Ich lasse mir nichts von Kindern befehlen.«
»Das sind keine Kinder.«
»Hier unten schon.« Shiv legt seine Hand auf die Leistengegend und zuckt. »Nein, ich arbeite nicht für die Naths.«
»Dann brauchst du auch nicht hierhin zu gehen.« Sie lässt ihre kleine Tasche aufschnappen und schiebt einen Zettel über die schmierige Theke. Darauf steht eine Adresse, draußen im Industriegebiet. »Und du brauchst dieses Auto nicht.« Sie legt einen Mietschlüssel neben den Zettel mit der Adresse. Er ist für einen Mercedes, einen großen, kali-schwarzen, Vier-Liter- SUV -Mercedes, wie ein Raja ihn fahren würde. »Wenn du nichts davon brauchst, werde ich jetzt gehen und für deinen Moksha beten.«
Sie schnappt sich ihre Tasche und rutscht von der hohen Bank herunter und drängt sich an Yogendra vorbei und stolziert in den hochhackigen Stiefeln, die ihren Arsch hin und her wippen lassen, über die Pappkartons.
Yogendra sieht Shiv an. Es ist dieser abgeklärte Blick, der in Shiv den Wunsch aufsteigen lässt, ihm den Kopf gegen die Blechtheke zu schlagen, bis er ein Knacken hört und es weich wird.
»Bist du damit fertig?« Er schnappt sich Yogendras Dose mit Tee und schüttet den Inhalt auf den Boden. »Sieht ganz so aus. Wir haben was Besseres vor.«
Der Junge schaltet sofort auf sein Fick-dich-selbst-Schweigen. In seinem Schädel ist er so alt wie ein Brahmane. Nicht zum ersten Mal wundert sich Shiv, ob er vielleicht ein reicher Junge ist, der Sohn und Erbe eines Piraten-Lords, rausgeworfen aus einer Limousine im Neonlicht von Kashi, damit er lernt, wie es wirklich in der Welt abläuft. Überleben. Hochkommen. Keine anderen Regeln gelten.
»Kommst du oder was?«, ruft er Yogendra zu. Irgendwo hat der Junge Paan zum Kauen gefunden.
An diesem Abend kommt Leela wieder vorbei, um ihrer Mutter mit den Blumenkohl-Puris zu helfen. Sie sind ein besonderer Genuss für Shiv, aber der Geruch von heißem Ghee in dem engen, dunklen Haus verursacht ihm Gänsehaut und Kopfjucken. Shivs Mutter und Schwester hocken am kleinen Gaskocher. Yogendra sitzt bei ihnen und trocknet die gekochten Puris mit zerknülltem Zeitungspapier. Shiv beobachtet den Jungen, wie er bei den Frauen hockt und die ofenheißen Brote in die Papiernester löffelt. Das muss für ihn einmal etwas bedeutet haben. Ein Herd, ein Feuer, Brot, Papier. Shiv beobachtet, wie Leela die Puris zu kleinen Ovalen zusammenklatscht und sie in das siedende Fett wirft.
Sie sagt in den häuslichen Frieden hinein: »Ich denke daran, meinen Namen zu Martha zu ändern. Der ist aus der Bibel. Leela kommt von Leelavati, die eine heidnische Göttin ist, aber in Wirklichkeit ist sie ein Dämon Satans aus der Hölle. Weißt du, wie es in der Hölle ist?« Beiläufig löffelt sie Blumenkohl-Puris mit einer Kelle aus Hühnerdraht heraus. »Die Hölle ist ein Feuer, das niemals erlischt, eine große, dunkle Halle, wie ein Tempel, nur größer als alle Tempel, die du je gesehen hast, weil er Platz haben muss für all die Menschen, die den Herrn Jesus nicht erkannt haben. Die Mauern und Säulen sind viele Kilometer hoch, und sie glühen feuergelb, und die Luft ist wie eine Flamme. Ich sage Mauern, aber es gibt nichts außerhalb der Hölle, nur massiven Fels, der sich auf ewig in alle Richtungen erstreckt, und die Hölle ist hineingemeißelt. Das heißt, selbst wenn du fliehen könntest, was du nicht kannst, weil du wie ein Paket zusammengekettet bist, könntest du nirgendwo anders hin. Und der Raum ist voll mit Milliarden und Abermilliarden Menschen, die alle wie kleine Bündel angekettet sind, alle übereinandergestapelt, tausend tief und tausend weit und tausend hoch, eine Milliarde in einem Haufen und Tausende von diesen Haufen. Die in der Mitte können überhaupt nichts sehen, aber sie können sich gegenseitig hören, und alle schreien. Das ist das Einzige, was du in der Hölle hören
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