CyberCrime
interessant an, aber Laufen entschloss sich dennoch, Kontakt mit dem Landeskriminalamt in Stuttgart aufzunehmen. Wenig später erklärte Inspektor Frank Eißmann ihm die Grundlagen der Cyberkriminalität. Nebenher erwähnte er, das FBI habe seiner Abteilung IV bei den Ermittlungen gegen Hartmann geholfen.
Am nächsten Tag erhielt Detlef eine 19-monatige Bewährungsstrafe, und am 2. Juli fragte Kai Laufen bei ihm wegen eines Interviews an – altmodischerweise nicht per E-Mail, sondern mit der Post. Detlef und seine Eltern lehnten die ersten Annäherungsversuche des Journalisten ab, aber nach drei Monaten gaben sie nach. Anfang Oktober schließlich saß Kai Laufen dem jungen Mann in seinem Büro bei einer Tasse Kaffee gegenüber.
Der Journalist war kein Anfänger. Er war in Norddeutschland geboren, zum Teil in Brasilien aufgewachsen und sprach fließend Portugiesisch, Spanisch und Englisch. Er hatte in vielen Ländern Südamerikas gearbeitet und wusste das eine oder andere über organisiertes Verbrechen und Gangster. Dennoch traute er jetzt seinen Ohren kaum: Detlef erfreute ihn mit der Geschichte von Matrix 001 und seinen Abenteuern in einer virtuellen Welt, in der sich alle mit sonderbaren Namen hervortaten und in einem Mischmasch-Englisch – zum Teil Gangstersprache, zum Teil Anarchistenjargon und zum Teil Tolkien – kommunizierten, während sie gestohlene finanzielle Informationen kauften und verkauften.
Welche Folgerungen sich aus dieser neuen Form von Gesetzesverstößen ergaben, begriff Kai Laufen nur mühsam. Mithilfe des Internets konnten die Täter viele tausend Kilometer entfernt Verbrechen an einer Vielzahl unbekannter Opfer begehen, die vielleicht merkten, dass ihre Privatsphäre verletzt und ihr Geld oder ihre Identität gestohlen wurde, vielleicht aber auch nicht.
Aber wenn das alles so idiotensicher war, so fragte der Journalist, wie kam es dann, dass man Detlef festgenommen hatte? »Ganz einfach«, erwiderte der, »einer meiner Administratorenkollegen, mit dem ich über viele Monate zusammengearbeitet habe, war ein FBI -Agent. Er hat mich ausfindig gemacht und dann die deutsche Polizei alarmiert.« Kai Laufen glaubte, der junge Mann würde seine eigene Bedeutung vielleicht übertreiben, und deshalb fragte er ihn, ob er seine Behauptungen mit Dokumenten belegen könne. »Ja«, sagte Detlef, »ich schicke sie Ihnen.«
Einige Tage später schickte Detlef Hartmann dem Journalisten ein Schreiben, in dem sein Anwalt die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft gegen den jungen Mann erklärte:
Bei diesem Administrator, welcher daher letztendlich die vollständige Kontrolle über alle Vorgänge, zumindest ab Juni 2006 hatte, handelt es sich ausweislich der Ermittlungsakten um den FBI -Beamten Keith Mularski, welcher wohl den Server zur Verfügung stellte, um hierdurch bessere Informationen über im Internet tätige Käufer und Verkäufer zu erhalten. Ausweislich der Ermittlungsakten Blatt 148, Aktenordner 1 teilt Herr Keith Mularski dies dem ermittelnden LKA-Beamten, Frank Eismann [sic], wie folgt mit: »Master Splynter [sic] is me .« Dass der User »Master Splynter« [sic] den Server stellte, ergibt sich auch aus Blatt 190, Email Keith Mularski vom 09. 03. 2007: » He paid me for the Server .«
Kai Laufen war verblüfft. Er las noch einmal den entscheidenden Satz: Master Splynster is me – Master Splyntr bin ich. Detlef Hartmann hatte nicht nur recht gehabt, dass das FBI sich an seine Cyberfersen geheftet hatte, sondern die Staatsanwaltschaft hatte überdies sowohl den Namen des Agenten als auch seinen Aliasnamen genannt. Das Spiel war aus, und er, Kai Laufen, hatte die Wahrheit über einen der prominentesten Cyberpolizisten der Welt herausgefunden. Drei Monate zuvor hatte er von Cyberkriminalität noch kaum etwas gehört.
Als der deutsche Journalist bei der National Cyber Training Alliance in Pittsburgh anrief, wurde er sofort mit Keith Mularski verbunden, und der war wie immer höchst zuvorkommend. Als Laufen ihm aber den Satz aus der E-Mail – Master Splynster is me – vorlas, herrschte am anderen Ende der Leitung langes Schweigen. Keith Mularski wusste, dass man ihn erwischt hatte. Das Gute dabei war, dass ein Radiojournalist aus Südwestdeutschland ihn erwischt hatte; deshalb bestand selbst im Internetzeitalter noch eine geringfügige Chance, dass die Nachricht nicht über die Grenzen Baden-Württembergs hinausdringen würde. Im Innersten wusste er aber, dass diese Chance wirklich sehr
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