sie stürmten in die Villa und hielten vier weitere Männer auf dem Fußboden fest. Um sie herum standen und lagen unzählige Computer sowie Dutzende und Aberdutzende von Skimmern, Pressformen, PIN -Tastaturen, Kartenlesegeräten und jede Menge Bargeld. Die Razzia war ein Triumph – niemand wurde verletzt, und alle Verdächtigen wurden festgenommen.
Seltsamerweise war die Festnahme von Cha 0 einige Tage zuvor in den Diskussionsforen des Magazins Wired vorausgesagt worden, nachdem ein Autor der Zeitschrift auf deren Website einen Bericht über DarkMarket veröffentlicht hatte. Einer der Kommentare unter dem Artikel stammte von jemandem, der sich als Lord Cyric ausgab, der DM -Administrator. Er behauptete, er habe unmittelbaren Kontakt zu Cha 0 , und fügte die rätselhafte Behauptung an, einer von Cha 0 s Untergebenen werde möglicherweise ins Gefängnis wandern, Cha 0 selbst aber nie.
Auf Wiedersehen, Cha 0 ?
35 Das Ende von DarkMarket
Wer Cha 0 auch in Wirklichkeit sein mochte, die unerwartete Festnahme von Çağatay Evyapan löste bei seinen Administratorenkollegen auf DarkMarket offenbar Panik aus. Am 16. September 2008, eine knappe Woche nach der Razzia in Istanbul, gab Master Splyntr auf der DarkMarket-Website bekannt, die Erfolge der Polizei kosteten ihn und die anderen Administratoren zu viel Nerven. Es sei eine Last, die sie nicht länger schultern könnten:
Es ist offensichtlich, dass dieses Forum … zu viel Aufmerksamkeit von zahlreichen Dienststellen der ganzen Welt (Agenten von FBI , Secret Service und Interpol) auf sich zieht. Nach meiner Vermutung war es nur eine Frage der Zeit, bis es so weit kam. Dass wir uns jetzt in einer solchen Situation befinden, ist sehr misslich, denn … wir haben DM als wichtigstes englischsprachiges Forum zur Abwicklung von Geschäften durchgesetzt. Aber so ist das Leben. Wenn du an der Spitze stehst, versuchen die Leute, dich zu erledigen.
Eine Woche später war die wichtigste kriminelle Website der englischsprachigen Welt tot. Ihre Anhänger waren bekümmert. »DarkMarket war unsere Brücke zum Geschäft, und wenn diese Brücke abgebrochen wird …«, klagte ein Mitglied namens Iceburg in einem Posting auf der Website des Magazins Wired . »Lang lebe Cashing und Carding. Ein kurzes Leben für all die Ratten und FBI und all die dummen Geheimdienste, die nicht nur unser Leben und unsere Familien zugrunde richten, sondern auch alles zerstören, was wir hinterlassen.«
Es schien, als hätte die Cyberpolizei gewonnen. Aber es ging um DarkMarket, und da war die Geschichte nicht so einfach.
Teil IV
36 Doppeltes Risiko
Stuttgart, September 2007
Kommissar Dietmar Lingel hatte Spaß an seiner Arbeit. Eine Woche zuvor hatte sein Vorgesetzter ihm die Logs des kanadischen Webmail-Providers Hushmail übergeben. Dieses E-Mail-System war angeblich wasserdicht – wenn man Hushmail verwendete, konnte niemand die Korrespondenz lesen. Im Großen und Ganzen stimmte das, aber 2007 hatte das Unternehmen sich dem Druck der kanadischen Polizei gebeugt und den Polizisten Zugang zu den Logdateien gewährt. An ihnen kann ein Ermittler ablesen, welche IP-Adresse sich in einem bestimmten E-Mail-Account eingeloggt hat. Und die Royal Canadian Mounted Police hatte die Logs für die beiden Accounts
[email protected] und
[email protected] an den FBI -Agenten Mularski weitergegeben.
Bereits im Mai 2007 hatte Matrix 001 an Mularski die überarbeitete Version einer anonymen E-Mail geschickt, die er erhalten hatte; darin wurde er gewarnt, er stehe unter der Beobachtung der deutschen Polizei. Mularski hatte daraufhin zunächst die Vermutung, seine Kollegen beim US -amerikanischen Secret Service seien für die undichte Stelle verantwortlich. FBI und Secret Service führten zu jener Zeit konkurrierende Ermittlungen gegen DarkMarket durch, und damit vervielfachten sich die Möglichkeiten, dass es aus Unfähigkeit oder Boshaftigkeit zu Sicherheitslücken kam. Aber auch mindestens drei Polizeibehörden in anderen Ländern wussten über Matrix Bescheid: die Briten, die Franzosen und natürlich die Deutschen.
Bei der Polizei unterschätzte niemand die Bedeutung der E-Mails. Zu der Möglichkeit, dass es einen Maulwurf gab, kam der ebenso beunruhigende Gedanke hinzu, dass jemand sich in die Computer einer der Ermittlungsbehörden gehackt hatte. Die Operation DarkMarket hatte bereits ernsthaft begonnen, aber die Festnahme von Matrix 001 und JiLsi war nur der Anfang – geplant war, die