CyberCrime
GSA lässt sich eigentlich überhaupt nicht berechnen. Wenn sie in die falschen Hände gelangten, könnte die Firma zugrunde gehen.
Während seines Kreuzzuges zur Beseitigung gefährlicher Schwachstellen im Computersystem von Grimley Smith – zum Stopfen jener unsichtbaren digitalen Löcher, durch die Würmer, Trojaner und Viren unbemerkt hindurchschlüpfen können – stieß Darryl auf gewisse Probleme. Als Erstes begriff er, dass Menschen nicht gern Privilegien abgeben, deren sie sich bereits erfreuen – und vom Anblick sich windender nackter Körper abgesehen, hatten die Mitarbeiter von GSA viele solche Freuden. Für einen jungen Technikfreak bewies Darryl ein gutes Verständnis für die psychologischen Hintergründe der Computernutzung. Irgendwie musste er den Mitarbeitern ihre lokalen Administratorrechte entziehen. Er hielt es für das Beste, dies nach und nach zu tun. Dass Menschen nicht gern etwas verlieren, was sie bereits besitzen, wusste er, aber er erkannte auch, dass sie ebenso gern neues Spielzeug in Empfang nehmen.
Also ergriff er bei der nächsten Computeraktualisierung die Gelegenheit, die ersten Beschränkungen einzuführen. In der Begeisterung über ihre blitzenden und noch leistungsfähigeren neuen Rechner nahmen die GSA -Mitarbeiter hin, dass sie nicht mehr nach Belieben ihre Lieblingsspiele oder sonstigen Zeitvertreib herunterladen konnten.
Wieder bewies Darryl sein angeborenes psychologisches Gespür, in dem er allzu drakonische Methoden vermied. Ein Problem war Facebook. Zahlreiche Mitarbeiter vergeudeten Ressourcen, indem sie das soziale Netzwerk nutzten, während sie eigentlich arbeiten sollten. Gleichzeitig war dies zunehmend auch ein »Vektor«, wie die Sicherheitsbranche es nennt – ein Instrument, das Virenprogrammierer ausnutzen können, um ihre Schadprogramme zu verbreiten.
Darryl nahm an, dass ein völliges Facebook-Verbot im Unternehmen zum Aufstand führen würde; deshalb erlaubte er den Zugang zu der Website von 12 bis 14 Uhr, also zu einer Zeit, in der die meisten Angestellten Mittagspause machten. Indem er die Facebook-Zeit selbst festlegte, konnte er auch Viren- und Hackerangriffe besser überwachen und so dafür sorgen, dass die Site nicht die Unternehmenssicherheit gefährdete.
Nach und nach führte er ein System einer relativ weitreichenden zentralen Kontrolle ein, ohne auch nur einen einzigen Computernutzer bei Grimley Smits zu verärgern. Kernstück des neuen Systems war ein kompliziertes Programm namens Virtual Network Computing oder VNC . Es war Grimley Smith’ ganz eigene Version von Big Brother. Wenn Darryl irgendwo im Netzwerk ein ungewöhnliches oder gefährliches Verhalten bemerkte, konnte er das VNC aus seinem virtuellen Winterschlaf wecken, so dass es sich auf den Weg machte und im Einzelnen untersuchte, was auf einem der vielen Dutzend Computer, die er jetzt verwaltete, vorging.
Eines Morgens, als die Mitarbeiter sich gerade in ihre Computer einloggten, schickte Darryl an alle vom Verwaltungsdirektor an abwärts eine warnende Nachricht: Von jetzt an könne jeder vom Computerverwalter überprüft werden. Was die meisten nicht wussten: Darryls neu installiertes VNC lief bereits fröhlich im Hintergrund. Wenn das Programm ihn darauf aufmerksam machte, dass jemand ein Virus heruntergeladen hatte oder eine unbekannte Software installieren wollte, wurde das VNC aktiv.
VNC ist ein ungeheuer leistungsfähiges Hilfsmittel. Manche halten seinen Einsatz für eine naheliegende Geschäftspraxis, im globalen Internet jedoch ist die Verwendung von VNC -Software heftig umstritten. Im größten Teil Kontinentaleuropas ist es Behörden und Unternehmen streng verboten, sich Zugang zu Informationen auf den Computern ihrer Mitarbeiter zu verschaffen, die nichts mit der beruflichen Tätigkeit zu tun haben (und selbst das ist nicht einfach). Die Überwachung von E-Mails ist schlicht und einfach illegal.
Zwischen Verbrechensbekämpfung und Bürgerrechten herrschte immer ein Spannungsverhältnis, aber mit der Verbreitung des Internets ist ihr Miteinander noch deutlich schwieriger geworden, und das wird auch in Zukunft so sein. Wenn ein deutscher Polizeibeamter einen Verdächtigen anonym über das Internet verfolgt, ist er juristisch verpflichtet, sich als Mitglied der Ordnungskräfte zu erkennen zu geben, wenn er von einem Online-Gesprächspartner danach gefragt wird. Dies erschwert eine Praxis, die in Großbritannien und den Vereinigten Staaten weitverbreitet ist: Dort tarnen
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