CyberCrime
die sich später zu Technikfreaks, Hackern oder Crackern weiterentwickelten. In dem Brief beschwerte sich Gates darüber, dass 90 Prozent derer, die Microsofts erste Programmiersprache Altair BASIC benutzten, sie nie gekauft hatten. Sie hatten sie kopiert, und damit konnte Gates keinen Gewinn aus der ungeheuren Arbeit und den Finanzmitteln ziehen, die er in ihre Entwicklung investiert hatte. Gates’ Sprache mangelte es zwar wie der vieler Computerfachleute an Eleganz, der Inhalt war aber klar: Er beschuldigte die Hobbyisten des Diebstahls.
Die Hobbyisten, Computerfreaks und Hacker – später wurden sie auch als Cracker bezeichnet – waren anderer Ansicht. Aus ihrer Sicht war jeder »Code«, der einmal im Umlauf war, Freiwild. Sowohl an der Westküste der Vereinigten Staaten als auch am Massachusetts Institute of Technology ließen sich einige der wichtigsten Computerentwickler und ersten Nutzer von einer großen Dosis »Kumbaya«-Ideologie anstecken: Danach war gerade diese Technologie dazu da, die Welt zusammenzuführen, und aus irgendeinem (nicht genau definierten) Grund unterlag sie nicht den Regeln des Urheberrechts, die traditionell auf Bücher, Musik und andere kreative Produkte angewendet wurden.
Warum das geschehen konnte, war klar: Früher war die Öffentlichkeit nicht in der Lage gewesen, eine Raubkopie eines Buches zu drucken oder Piratenpressungen von LP s herzustellen – dazu fehlten ihr die technischen Apparaturen. Und wenn man es tat, waren die Maschinen schwerfällig, unbeweglich und für die Polizei im Namen des geistigen Eigentums leicht aufzuspüren.
Ganz anders die Softwarecodes: Nachdem sie sich von den Kassettenrekordern befreit hatten, auf denen Anfang der 1980er Jahre die ersten Computerspiele für den häuslichen Gebrauch erschienen waren, produzierte man sie auf Disketten, CD s, DVD s und immer kleineren Festplatten. Zu jener Zeit bemühte sich das Imperium der kommerziellen Softwarehersteller zum ersten Mal darum, zurückzuschlagen: Man baute in die Produkte zusätzliche Codes ein, die ein unerlaubtes Kopieren verhindern sollten. CD s und Kassetten enthielten in der Regel digitale Schlösser.
Diese Taktik war zwar verständlich, sie ging aber nach hinten los. Schon 1982 konnte ein anderer deutscher Teenager, der später unter dem rätselhaften Hacker-Spitznamen MiCe! bekannt wurde, seine Eltern davon überzeugen, ihm zu Weihnachten einen Computer zu schenken. Aber nachdem sie für den Rechner ihr ganzes Geld ausgegeben hatten, weigerten sie sich, einen einzigen Pfennig für Computerspiele lockerzumachen; sie begriffen nicht, dass der Computer ohne die Spiele-Software, die zu jener Zeit auf Kassetten vertrieben wurde, für ihren Sohn nutzlos war.
Er musste also feststellen, dass es nur einen Weg gab, wie er den Computer benutzen konnte: Er musste die Software von seinen Freunden ausleihen und dann kopieren. Einmal merkte er, dass die Kassette sich nicht kopieren ließ. Er probierte alles aus, was er sich vorstellen konnte, aber sein Computer stürzte jedes Mal ab. Nach Tagen und Nächten voller Frustration fand er schließlich an einer bestimmten Stelle des Bandes einen Abschnitt des Codes, der keine erkennbare Funktion hatte. Da kam ihm die Erleuchtung: Dieser Abschnitt blockierte den Kopierprozess! Nachdem MiCe! das begriffen hatte, konnte er experimentieren und den Code in unterschiedlicher Reihenfolge umschreiben. Eines Nachts schließlich – Bingo! – hatte er ihn geknackt.
MiCe! und andere Spieler aus jener Frühzeit wollten den Kopierschutz knacken, weil sie spielsüchtig waren, aber nicht, um damit Geld zu verdienen. Die Kopien wurden von einem Spieler zum nächsten weitergegeben, und damit war The Scene geboren.
Es war immer noch ein mühsamer, zeitaufwendiger Prozess: Man musste dazu den Code physisch auf eine neue Kassette kopieren. Aber die Spieler hatten mit Vergnügen die Herausforderung angenommen, vor die sie die Softwareproduzenten gestellt hatten, und wenig später florierte bereits eine umfangreiche Subkultur von Crackergruppen. Ihre Mitglieder hatten nur ein Ziel: Sie wollten Spiele und andere Software in dem Augenblick knacken, in dem sie auf den Markt kamen, und dann mit ihren Fähigkeiten bei ihresgleichen renommieren.
Damit war die Cyber-Unterwelt geboren; sie zerfiel allerdings sehr schnell in ganz unterschiedliche Gruppen, manche davon waren gut, andere schlecht.
11 Kein Weg zurück
Fast zwei Jahrzehnte nachdem MiCe! seine erste Kassette geknackt
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