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Cyberspace

Cyberspace

Titel: Cyberspace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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leicht nach Urin, und die Wände waren mit (A)narchistischen Parolen
    besprüht. Deke befreite mit dem Fuß eine Ecke von Unrat, setzte sich mit dem Rücken zur Wand und riß das Wafer-Paket auf.
    Da waren enthalten eine zusammengefaltete Gebrauchsanweisung mit illustrierten Loopings,
    Rollen und Immelmann-Wendungen, eine Tube mit salinischer Paste und eine Computerliste mit Anwenderhinweisen. Und das Wafer selbst, in weißes Plastik gepackt, auf einer Seite bedruckt mit Doppeldecker und Firmenlogo in Blau, auf der ändern in Rot. Er drehte es in der Hand hin und her: SPAD & FOKKER, FOKKER & SPAD. Rot oder blau. Er paßte das Batang, dessen Ableitfläche er mit Paste bestrichen hatte, hinters Ohr, steckte das Lichtleitfaserkabel ins Programmiergerät und dessen Stromzuleitung in die Dose an der Wand. Dann schob er das
    Wafer in den Progammierer. Es war ein billiges Gerät aus Indonesien, und es brummte ihm
    unangenehm der Schädel, als das Programm lief. Aber nachdem es überstanden war, düste
    wenige Zentimeter vor seiner Nase keck eine himmelblaue Spad durch die Luft. Sie leuchtete richtig, so echt war sie. Sie hatte das seltsame Innenleben von nahezu fanatisch detailgetreuen Museumsmodellen, forderte aber seine ganze Konzentration, um lebendig zu bleiben. Wenn
    seine Aufmerksamkeit nur geringfügigst nachließ, wurde die Maschine unscharf, kläglich
    verschwommen.
    Er übte, bis die Batterie des Ohrstücks leer war, kippte gegen die Wand zurück und schlief ein.
    Er träumte, ein Universum zu durchfliegen, das nur aus weißen Wolken und blauem Himmel
    bestand - ohne Berg und Tal, ohne grüne Felder, in die man abstürzen könnte.
    Er wurde wach, als es nach ranzigem Fett und Grillküchlein roch, und krümmte sich vor Hunger.
    Aber Geld hatte er auch keins. Nun, es wohnten 'ne Menge Studententypen in der Herberge.
    Bestimmt einer dabei, der sich für ein Programmiergerät interessierte. Er ging mit dem geklauten Ersatzgerät auf den Flur. Nicht recht viel weiter unten klebte ein Poster an einer Tür: EINE
    HÖLLISCH GUTE WELT - ZUM GREIFEN NAH. Darunter ein Sternenhimmel aus einer
    Vielzahl bunter Pillen, herausgetrennt aus einer Pharma-Anzeige und auf eine inspirierende Aufnahme der »Weltraumkolonie« geklebt, an der schon vor seiner Geburt gebaut wurde.
    PACKEN WIR'S AN - hieß es auf dem Poster unter der Collage aus Hypnotika.
    Er klopfte. Die Tür ging auf, soweit die eingelegte Sicherheitskette es zuließ, und im Spalt, durch den die Hand paßte, zeigte sich der Ausschnitt eines Mädchengesichts. »Ja?«
    »Wirst denken, daß es geklaut ist.« Das Programmiergerät wanderte von Hand zu Hand. »Ich
    meine, weil's neu ist, total unbenutzt und der Balkencode noch dran ist. Hör zu, ich streit's auch gar nicht ab. Nee. Du kannst es kriegen für die Hälfte von dem, was du woanders zahlen
    würdest.«
    »Eh du, echt, im Ernst?« Der sichtbare Teil ihres Mundes verzog sich zu einem seltsamen
    Lächeln. Dann streckte sie die offene Hand aus. In Kinnhöhe. »Ei, guck mal!«
    Da war ein Loch in der Hand, ein schwarzer Tunnel, der sich in den Arm bohrte. Zwei rote
    Lichtlein. Rattenaugen. Sie huschten leuchtend auf ihn zu, wurden größer. Etwas Graues flitzte hervor und sprang ihm ins Gesicht.
    Kreischend riß er die Hände hoch, um es abzuwehren. Dabei verhedderten sich seine Beine, so daß er hinfiel und das Programmiergerät unter ihm zerschellte.
    Silikatsplitter flogen durch die Gegend, als er sich zappelnd den Kopf hielt. Wo's wehtat, tat's weh, ordentlich weh.
    »Oh, du meine Güte!« Die Türkette rasselte, und das Mädchen beugte sich über ihn. »Hier, du, mach schon!« Sie schwenkte ein blaues Handtuch. »Da, halt dich fest, ich zieh dich hoch!«
    Er sah sie aus wäßrigen Augen an. Studentin. »Nase-voll«-Blick, übergroßes Sweatshirt, Gebiß so weiß und makellos, es könnte als Kreditempfehlung dienen. Dünne Goldkette um den
    Fußknöchel (wo sich Babyflaum breitmachte, wie er sah). Struppiger japanischer Haarschnitt.
    Geld. »Das Ding sollte mein Dinner sein«, sagte er wehmütig. Er griff nach dem Handtuch und ließ sich hochziehen.
    Sie lächelte, wich aber nervös zurück. »Komm, ich mach das wieder gut«, sagte sie. »Willst was essen? War doch nur 'ne Projektion, okay?«
    Er folgte ihr ins Zimmer, vorsichtig wie ein Tier, das in die Falle geht.
    »Herrgott noch mal«, sagte Deke, »das ist HFKWHU .lVH © Er saß auf einem Sofa mit kaputten Federn, eingeklemmt zwischen einem Teddybär und einem

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