Cyberspace
verchromten Armlehne. »Ich hab von dir gehört.«
Er schaute Deke mitten ins Gesicht. Seine Stimme war weich und piepste entsetzlich.
Babystimme. »Hab gehört, du bist gut.«
Deke nickte langsam. Das Lächeln verschwand aus Tinys Gesicht. Seine weichen, vollen Lippen schnürten sich in eine natürliche Kußmundhalrung zusammen, als wollte er Bussis geben. Seine kleinen braunen Augen musterten Deke ohne Groll. »Dann zeig mal, was du kannst!«
Deke konzentrierte sich aufs kalte Geschäft des Kriegs. Und als der Feind brennend und
qualmend abtrudelte, um auf dem Tisch zu explodieren und sich in Luft aufzulösen, wendete Tiny wortlos seinen Rollstuhl, zuckelte zum Aufzug und verschwand.
Als Deke seinen Gewinn einsammelte, erschien Bobby Earl neben ihm und sagte: »Der Mann
will gegen dich fliegen.«
»So?« Deke war noch weit davon entfernt, Tiny herausfordern zu können. »Was darf ich davon halten?«
»Der Typ, der morgen von Atlanta kommen wollte, hat abgesagt. Und der Tiny, der brennt auf einen neuen Gegner. Sieht also so aus, du hast eine Chance, den Max zu kriegen.«
»Morgen? Mittwoch? Bleibt mir nicht mehr viel Vorbereitungszeit.«
Bobby Earl lächelte milde. »Ich glaube nicht, das macht 'nen Unterschied, du.«
»Inwiefern?«
»Junge, du bringst es einfach nicht, kapiert? Bist fad.
Du fliegst praktisch wie'n Anfänger, nur schneller und flinker. Ist dir klar, was ich sagen will?«
»Weiß nicht recht. Du willst also ein bißchen mehr Action bei der Sache?«
»Offengestanden«, sagte Bobby Earl, »war das meine Hoffnung.« Er zog einen kleinen
Notizblock aus der Tasche und beleckte einen Bleistiftstummel. »Wir wetten fünf gegen eins.
So'ne faire Wette kriegst du sonst von keinem.«
Er sah Deke beinahe traurig an. »Der Tiny, der ist praktisch von Natur aus besser als du, daran ist nichts zu rütteln, Junge. Er lebt für dieses Scheißspiel, hat nichts andres. Kann nicht raus aus dem gottverdammten Rollstuhl. Wenn du meinst, du kannst einen Mann übertrumpfen, der um
sein Leben spielt, dann machst du dir was vor.«
Norman Rockwells Porträt vom Colonel betrachtete Deke regungslos im Kentucky Fried an der Richmond Raod gegenüber dem Cafe. Deke hielt seine Tasse mit klammen, zitternden Fingern.
Ihm brummte vor Erschöpfung der Schädel. Bobby Earl hat recht, sagte er dem Colonel. Ich kann gegen Tiny antreten, aber besiegen kann ich ihn nicht. Der Colonel starrte standhaft und nicht besonders freundlich zurück; er betrachtete das Cafe und den Army-Laden und sein beknacktes Reich der Richmond Road. Wartete, daß Deke sich in den scheußlichen Plan fügte, den er
anzugehen hatte. »Das Luder will mich VRZLHVR verlassen«, sagte Deke laut. Womit er sich einen komischen Blick vom schwarzen Mädchen hinter dem Tresen zuzog, das dann rasch wieder
wegschaute.
»Daddy hat angerufen!« Nance tänzelte ins Zimmer und warf die Tür hinter sich ins Schloß.
»Und weißt du was? Er sagt, wenn ich den Job kriege und ein halbes Jahr durchhalte, dann läßt er die Gedankensperre aufheben.
Ist das nicht unglaublich, Deke?« Sie zögerte. »Alles okay mit dir?«
Deke stand auf. Jetzt, wo's soweit war, kam er sich unwirklich vor, als wäre er in einem Film oder so. »Sag mal, warum bist du die ganze Nacht nicht heimgekommen?« fragte Nance.
Seine Gesichtshaut spannte wie eine pergamentene Maske. »Wo hast du das Hype, Nance? Ich
brauch/s.«
»Deke«, sagte sie und probierte es mit einem zaghaften Lächeln, das sofort wieder verschwand.
»Deke, 's gehört mir. Mein Dope. Ich brauch's. Für das Bewerbungsgespräch.«
Er lächelte verächtlich. »Du hast Geld. Du kannst dir immer mal was besorgen.«
»Nicht bis Freitag! Hör zu, Deke, es ist echt wichtig. Mein ganzes Leben hängt von diesem Bewerbungsgespräch ab. Ich brauch die Pille. Ich hab sonst nichts.«
»Baby, du hast die ganze verdammte Welt! Schau dich um: 150 Gramm helles libanesisches
Hasch! Kleine Sardellenfilets in Dosen. Unbeschränkte ärztliche Versorgung, falls nötig.« Sie wich vor ihm zurück, stolperte in die stehenden Wellen von schmutzigem Bettzeug und
zerknitterten Hochglanzmagazinen, die sich vor dem Bett auftürmten. »All das hab ich nie gehabt, nicht mal andeutungsweise. Hatte praktisch nie den Ehrgeiz, den man braucht, um
voranzukommen. Aber diesmal hab ich ihn. In zwei Stunden findet ein Spiel statt, das ich, verdammt noch mal, gewinnen werde. Hörst du?« Er steigerte sich in Zorn, und das war gut. Den brauchte er
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