Cyclop
geworden. Die Beine spürte er kaum noch, und der Rücken war wie sein Hinterteil vom ständigen Hin- und Herrutschen in der schwankenden Wanne wundgescheuert. Die Sonne hatte ihn längst verbrannt, die Haut hing ihm in Fetzen herunter. Glücklicherweise blieb wenigstens die See ruhig. Aber das winzige Gefährt auf Kurs gegen die Wellen zu halten kostete ihn immer mehr Kraft und Konzentration. Die letzten Tropfen aus dem Benzinkanister waren längst im Außenbordmotor verschwunden. Er hatte die Kanister mit Seewasser füllen müssen, damit sie weiterhin als Ballast zum Ausbalancieren dienen konnten. In zwanzig oder dreißig Minuten würde der Motor die letzten Zuckungen von sich geben. Dann war alles vorbei. Ohne Steuerungsmöglichkeit würde die Wanne bald voll Wasser schlagen und sinken.
Seit sechsunddreißig Stunden hatte Pitt jetzt nicht geschlafen, und eine dumpfe Teilnahmslosigkeit breitete sich in seinem Kopf aus. Er versank in Halbschlaf. Erst als der Wind sich langsam hob und ein kurzer Schauer niederging, sammelte er die letzten Kraftreserven. Etwas Regenwasser blieb in der Wanne. Es war nicht das sauberste, aber besser als gar nichts. Er schöpfte es mit der Hand und trank es dankbar. Wenigstens eine kleine Erfrischung. In einer Stunde würde es dunkel werden. Mit der Sonne sank auch Pitts letzte Hoffnung. Selbst wenn er es schaffte, die Wanne über Wasser zu halten, konnte ihn in der Dunkelheit erst recht niemand mehr sehen. Hätte ich nur daran gedacht, eine Taschenlampe mitzunehmen, verfluchte er sich.
Der Außenbordmotor stotterte kurz, dann verstummte er. Pitt riß noch einige Male an der Anlasserkordel, aber er wußte, daß es vergeblich war. Die See war jetzt fast heimtückisch ruhig. Pitt leerte einen der Benzinkanister. Sollte die Wanne sinken, konnte er den Kanister als Rettungsboje benutzen. Solange er noch einen Muskel bewegen konnte, würde er nicht aufgeben.
Eine weitere halbe Stunde trieb er durch das Zwielicht. Dann war Pitt so müde und erschöpft, daß er die Bewegung im Wasser keine zweihundert Meter von ihm entfernt nicht mehr wahrnehmen konnte.
Kommandant Kermit Fulton wandte den Blick vom Periskop ab. Er maß den Kontrollraum seines U-Bootes
Denver,
das zur amerikanischen Karibikflotte gehörte, mit einem Blick und suchte das Gesicht seines Ersten Offiziers. »Was sagen unsere Sensoren?«Der Erste Offizier schüttelte den Kopf. »Nichts auf dem Radar, Skipper. Bis vor einer halben Stunde hatten wir noch etwas auf dem Sonar.«
»Was halten Sie davon?«
»Nach den Sonaraufzeichnungen müßte es ein Außenbordmotor gewesen sein. Nicht mehr als zwanzig PS.«
»So was dürfte hier eigentlich selten anzutreffen sein«, meinte Fulton. »Ich will wissen, was das war. Gehen wir noch näher ran.«
Wieder preßte er den Kopf gegen das Periskop-Augenstück und schaltete die Vergrößerung so hoch wie möglich. Langsam, sehr langsam wandte er sich dann wieder um. »Geben Sie Befehl zum Auftauchen.«
»Konnten Sie was sehen?« fragte der Erste Offizier.
Der Kommandant nickte stumm.
Jeder im Kontrollraum starrte Fulton erwartungsvoll an. Schließlich ergriff der Erste Offizier die Initiative. »Macht es Ihnen etwas aus, Sir, uns zu sagen, was Sie gesehen haben?«
»Dreiundzwanzig Jahre auf See«, sagte Fulton, »und ich dachte, da hat man alles gesehen.
Aber ich will verdammt sein, wenn da oben nicht jemand herumschwimmt, etwa hundert Meilen von der nächsten Küste entfernt, in einer Badewanne.«
41
Seit dem Absturz des Zeppelins hatte Admiral Sandecker sich in seinem Büro vergraben.
Persönliche Tragödien wie diese hatte er nie zuvor erlebt. Seine Eltern und seine Frau lebten noch. Der Krieg war lange her, und damals hatte er nicht zur kämpfenden Truppe gehört. Seit er von der Navy zur NUMA gekommen war, empfand er für Pitt so etwas wie väterliche Gefühle. Pitt, Gunn und Giordino waren seine liebsten Mitarbeiter, auch wenn das verschlossene Wesen des Admirals keine allzu engen Beziehungen zuließ. Diese Männer waren der persönliche Rückhalt, den er gerade wegen seiner Zurückgezogenheit immer so gebraucht hatte. Menschen, auf die er sich verlassen konnte, die ihn achteten und deren Eskapaden er mit liebevoller Strenge verfolgte.
Und nun war er allein. Als der Anruf ihn erreichte, war der Admiral gerade wieder in düstere Gedanken versunken. Das Privattelefon auf seinem Schreibtisch klingelte, eine Nummer, die nur wenigen Vertrauten bekannt war. Erstaunt griff er zum
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