Cyclop
Vermessungsleute fanden, in den Fluß gesunken. Aber mach dir keine falschen Hoffnungen.
Er hat da nur Unsinn gestammelt. Schatzsucher haben mit Metallsuchgeräten den ganzen Flußlauf jahrelang abgesucht. Vergeblich.«
Pitt ließ die Eiswürfel in seinem Glas kreisen. Er wußte es, er wußte, was Ralph Morehouse Sigler und
La Dorada
widerfahren war.
»Der amerikanische Generalkonsul«, sagte Pitt langsam, »er war also die letzte Person, die Sigler lebend gesehen hat?«
»Das Rätsel wird da noch verworrener, aber soweit es irgend jemand feststellen kann, müßte er es gewesen sein.«
»Laß mich überlegen, ob ich zur Lösung etwas beitragen kann. Das alles fand im Januar oder Februar 1918 statt. Richtig?«
O’Meara nickte und sah Pitt leicht verwundert an. »Und der Name des Generalkonsuls war Alfred Gottschalk, der ein paar Wochen später auf der
Cyclop
starb. Richtig?«
»Woher weißt du das?« wollte O’Meara mit aufgerissenen Augen wissen.
»Möglicherweise hatte Gottschalk durch Verbindungen zum britischen Konsulat irgend etwas über Siglers Mission erfahren. Als er eine Botschaft der Eisenbahnvermesser erhielt, daß Sigler noch lebte, behielt er sie zunächst für sich und reiste ins Landesinnere, um den Briten vielleicht ein wichtiges Geheimnis vor der Nase wegstehlen zu können -Informationen über wertvolle Funde, die er lieber seiner eigenen Regierung überbringen wollte. Was er dann aber erfuhr, ließ ihn jede Moral endgültig über Bord werfen. Gottschalk entschied sich, den Schatz ganz für sich allein zu behalten. Er entdeckte die goldene Statue im Fluß und schaffte es, sie zusammen mit Sigler unbemerkt nach Rio de Janeiro zu transportieren. Seine Spuren verwischte er, indem er jeden mit Geld bestach, nicht über die Geschichte zu reden, und ich nehme wohl an, daß er die Männer umbringen ließ, die nicht zu bestechen waren. Dann benutzte er seinen Einfluß bei der Navy, um Sigler und
La Dorada
an Bord der
Cyclop
zu schmuggeln. Das Schiff ging verloren, und das Geheimnis verschwand mit ihm.«
In O’Mearas Augen brannte ein Feuer, das nicht allein vom Alkohol stammte. »Also«, sagte er, »das kannst du unmöglich mit Bestimmtheit behaupten.«
»Warum sonst sollte LeBaron nach etwas suchen, von dem er annimmt, daß es
La Dorada
sein könnte?«
»Da hast du ein gutes Argument«, gab O’Meara zu. »Aber es bleibt immer noch eine etwas merkwürdige Frage. Warum hat Gottschalk Sigler nicht einfach umgebracht, nachdem er die Statue gefunden hatte? Warum wollte er den Engländer unbedingt mitschleppen?«
»Ganz einfach. Der Generalkonsul war völlig dem Goldrausch verfallen. Er wollte nicht nur
La Dorada,
sondern auch die ganze goldene Stadt. Sigler war die einzige lebende Person, die ihm weitere Hinweise auf die Lage Eldorados geben konnte.«
»Ich glaube, so könnte es gewesen sein. Ich mag deine Art, Theorien zu entwickeln, Dirk. Das verlangt einfach noch nach einem Drink.«
»Zu spät, die Bar schließt. Ich glaube, jetzt will man uns hier wirklich nicht mehr haben.«
O’Meara spielte den verzweifelten Alkoholiker. »Das ist das Furchtbare an der Zivilisation.
Das primitive Leben hat auch seine Vorteile, keine Polizeistunde.« Er nahm den letzten Schluck aus seinem Glas. »Also, wie sehen deine Pläne aus?«
»Nichts Außergewöhnliches«, erklärte Pitt lächelnd. »Ich werde mich daran machen, die
Cyclop
zu finden.«
11
Der Präsident war ein Frühaufsteher. Er wachte gegen sechs Uhr morgens auf und trainierte dann dreißig Minuten, bevor er duschte und ein leichtes Frühstück zu sich nahm. Sein morgendliches Ritual hatte sich schon kurz nach der Hochzeitsreise entwickelt, denn er liebte es, morgens eine ruhige Stunde zu haben. Seine Frau war eine Langschläferin, und sie schaffte es nie, vor halb acht Uhr aufzustehen.
An diesem Morgen wartete im Gymnastikraum unter dem Westflügel des Weißen Hauses bereits ein Mann auf ihn. Der Mann war ziemlich fett und lag auf einer Bank unter schweren Gewichten, die er stemmte und dabei stöhnte wie eine Frau im Kindbett. Der Schweiß lief ihm über die Stirn unter den dichten, weißen Haaren, die recht kurz geschnitten waren. Sein Bauch ragte hoch auf – riesig und behaart, die Arme und Beine standen wie knochige Äste von seinem Leib ab. Er erinnerte an einen Jahrmarkt-Ringer, der seine besten Jahre lange hinter sich hatte.
»Guten Morgen, Ira«, sagte der Präsident. »Ich freue mich, daß du es geschafft hast.«
Der dicke Mann
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