Cyclop
setzte das Gewicht ab und hängte es an einen Haken über seinem Kopf, erhob sich von der Bank und drückte dem Präsidenten die Hand. »Schön dich zu sehen, Vince.«
Der Präsident lächelte. Keine Verbeugungen, keine Kratzfüße, keine Grüße an »Mr. Präsident«. Der alte, stoische Ira Hagen, freute er sich. Der kauzige alte Geheimagent hat noch nie vor jemandem Respekt gehabt.
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dich so mit mir zu treffen.«
Hagen stieß ein heiseres Gelächter aus, das von den Wänden des Gymnastikraums widerhallte. »Ich bin schon an erheblich schlimmere Plätze für neue Aufträge bestellt worden.«
»Was macht das Restaurant?«
»Wirft einen hübschen Profit ab, seit wir die europäische Spitzenküche durch eine amerikanische Hausmannskost ersetzt haben. Jetzt haben wir nur noch fünf Hauptgänge, die es in keinem anderen der Spitzenrestaurants gibt: Schinken, Huhn, Fischkasserolle, Stew und Braten.«
»Da hast du wahrscheinlich eine Goldmine gefunden«, stimmte der Präsident zu. »Ich habe keinen vernünftigen Braten mehr auf dem Teller gehabt, seit ich ein Kind war.«
»Unsere Gäste sind richtig wild danach, besonders weil wir die intime Atmosphäre und den guten Service beibehalten haben. Meine Ober tragen noch immer alle Smokings, auf jedem Tisch stehen Kerzen, das ganze Essen wird sehr europäisch präsentiert. Aber das Schönste daran ist, daß die Leute sogar schneller essen, weil es ihnen so gut schmeckt, so daß wir die Tische viel schneller freibekommen.«
»Und ihr könnt jetzt beim Essen wenigstens die Kosten reinbekommen, während ihr beim Wein und den Spirituosen einen anständigen Profit macht, richtig?«
Hagen lachte wieder. »Vince, du bist in Ordnung. Mir ist egal, was die Zeitungen über dich schreiben, solltest du mal als Politiker arbeitslos werden, dann machen wir zusammen eine Restaurantkette auf.«
»Vermißt du eigentlich die Arbeit als Ermittler für das Justizministerium, Ira?«
»Manchmal schon.«
»Du warst der beste Geheimagent, an den das Ministerium jemals Aufträge vergeben hat, bis Martha starb jedenfalls.«
Der Präsident senkte den Blick.
»Für die Regierung Beweise über das Verbrechen zu sammeln schien mir damals einfach nicht mehr interessant zu sein. Ich hatte schließlich drei Töchter, deine Nichten, um die ich mich kümmern mußte, und dieser Job hat mich ja wochenlang von zu Hause ferngehalten.«
»Den Mädchen geht es gut?«
»Ganz ausgezeichnet. Sie sind inzwischen alle wirklich glücklich verheiratet und haben mir schon fünf Enkel geschenkt.«
»Ein Jammer, daß Martha sie nicht mehr sehen kann. Von meinen sechs Geschwistern war sie mir immer die liebste.«
»Aber du hast mich nicht von Denver in einem Air-Force-Jet kommen lassen, um über alte Zeiten zu reden«, mutmaßte Hagen. »Was liegt an?«
»Weißt du noch, wie man Nachforschungen anstellt?«
»Hast du vergessen, wie man Fahrrad fährt?«
Jetzt konnte der Präsident sich ein Lachen leisten. »Wenn man dumm fragt…«
»Meine Reflexe sind natürlich nicht mehr so schnell, aber die kleinen grauen Zellen funktionieren noch zu hundert Prozent.«
Der Präsident warf seinem Schwager eine Aktenmappe zu. »Schau dir das mal an, während ich ein paar Meilen in meiner Tretmühle laufe.«
Hagen wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn und setzte sich auf das Trainingsfahrrad, dessen Gestell sich unter seinem Gewicht ein wenig bog. Er öffnete die Mappe und hörte nicht auf zu lesen, bis der Präsident die ersten beiden Meilen gelaufen war.
»Was hältst du davon?« fragte der Präsident schließlich.
Hagen zuckte mit den Achseln und las weiter. »Würde einen guten Pilotfilm für eine TV-Serie abgeben. Versteckte Finanztransaktionen, ein undurchdringlicher Sicherheitsschirm, verschwörerische Aktionen von ungeheurem Umfang, eine geheime Mondstation. Ich glaube, H. G. Wells hätte seine helle Freude an so etwas.«
»Glaubst du, das Ganze ist ein übler Scherz?«
»Sagen wir: Ich würde es gern glauben. Welchem patriotischen Steuerzahler wäre bei so was nicht unheimlich? Unsere ganzen Sicherheitsdienste sehen nach dieser Lektüre aus, als hätten sie die letzten zwanzig Jahre verschlafen. Aber wenn es ein übler Scherz ist, was könnte das Motiv sein?«
»Wenn man nicht die Regierung in größtem Ausmaße lächerlich machen will, kann ich mir nichts vorstellen.«
»Laß mich erst zu Ende lesen. Die letzten Seiten sind in Kurzschrift.«
»Meine
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