Cyclop
verfolgen. Jetzt schloß er wieder die Augen und versuchte sich zum hundertsten Mal ein Bild von der geisterhaften Fahrt der
Prosperteer
zu machen. Wenn die Gastanks des Zeppelins nicht auf einem Schiff nachgefüllt worden waren, eine äußerst unwahrscheinliche Lösung, dann konnte die Antwort auf Raymond LeBarons Verschwinden nur in Kuba liegen.
Die ganze Zeit fühlte Pitt sich von einem unterbewußten Gedanken verfolgt, einem noch nicht wirklich in Worte faßbaren Gefühl, das sich jetzt plötzlich beim Anblick des Zeppelins kristallisierte. Dieser zweite Flug war nur Fassade. Es ging gar nicht um die Suche nach LeBaron, ihre Expedition diente als Tarnung für etwas anderes. Ohne daß er die Konsequenzen dieses Gedankens erkennen konnte, spürte Pitt, daß dies die Lösung war, mit der sich alle Widersprüche erklären ließen. Es paßte ins Muster. Gerade war er dabei, sich weitere Konsequenzen zu überlegen, als ihn jemand unterbrach.
»Na, wen haben wir denn da«, meinte eine bekannte Stimme, »sieht aus, als hätte Schneewittchen sich mal wieder einen Apfel andrehen lassen.«
»Entweder das, oder es ist in den Winterschlaf verfallen«, meinte eine andere Stimme, die Pitt ebenfalls kannte. Er öffnete die Augen, schirmte sie gegen die Sonne mit einer Hand ab und sah zwei grinsenden Männern ins Gesicht, die auf ihn herabsahen. Der kleinere der beiden Männer war ein muskelbepackter Bursche mit tonnenförmiger Brust, schwarzen Locken und dem eisernen Gesichtsausdruck eines Mannes, der Ziegelsteine zum Frühstück aß. Es handelte sich um niemand anderen als um Pitts alten Freund und den stellvertretenden Projektdirektor bei der NUMA Al Giordino.
AI ergriff Pitts ausgestreckte Hand und zog ihn auf die Füße. »Wir fliegen in zwanzig Minuten.«
»Ist unser unbekannter Pilot endlich aufgetaucht?« erkundigte sich Pitt.
Der andere Mann, etwas größer und erheblich dünner als Giordino, schüttelte den Kopf.
»Keine Spur.«
Rudi Gunn spähte vorsichtig mit einem Paar blauer Augen durch dicke Brillengläser. Er erweckte den Eindruck eines unterernährten Hilfsbuchhalters, der sich nichts sehnlicher als eine goldene Armbanduhr wünschte. Aber dieser Eindruck täuschte. Gunn war der Chef vom Dienst aller ozeanographischen Projekte der NUMA. Während Admiral Sandecker seine Schlachten mit dem Kongreß und der Regierungsbürokratie schlug, kümmerte sich Gunn um die täglichen Entscheidungen der Agentur. Für Pitt war es ein großer Triumph gewesen, Sandecker Gunn und Giordino gleichzeitig zu entlocken.
»Wenn wir LeBarons Abflugzeit einhalten wollen, müssen wir uns langsam auf den Weg machen«, sagte Giordino unbeteiligt.
»Ich glaube, wir schaffen es schon noch«, meinte Pitt. »Hast du dir die Gebrauchsanweisung durchgelesen?«
Giordino nickte. »Man braucht ungefähr fünfzig Flugstunden, um sich für einen Luftschiff-Führerschein zu qualifizieren. Die Beherrschung der Kontrollen ist nicht sehr schwierig, aber es ist eine Kunst, diesen luftgefüllten Darm in einer steifen Brise auch nur ein paar Sekunden auf stabilem Kurs zu halten.«
Pitt mußte über Giordinos knappe Beschreibung grinsen. »Ist unsere Ausrüstung an Bord verstaut?«
»Geladen und gesichert«, bestätigte Gunn ihm.
»Dann denke ich, machen wir uns mal auf den Weg.«
Als sie sich der
Prosperteer
näherten, kletterte der Chef von LeBarons Bodenmannschaft aus der Gondel. Er wechselte noch ein paar Worte mit seiner Crew und winkte den Ankömmlingen einen freundlichen Gruß zu.
»Sie ist zum Start bereit, Gentlemen.«
»Wie ist die Wetterlage im Vergleich zum damaligen Flug?« erkundigte sich Pitt.
»Mr. LeBaron mußte gegen einen Wind von fünf Meilen in der Stunde aus Südost fliegen. Sie werden acht Meilen haben. Außerdem gibt es einen für diese Jahreszeit relativ späten Hurrikan, der sich aus Richtung der Turks and Caicos Islands nähert. Die Metereologen haben ihn Little Eva genannt; er hat weniger als achtzig Kilometer Durchmesser. Nach den Vorhersagen soll er nach Norden zu den Carolinen drehen. Wenn Sie nicht später als vierzehn Uhr abdrehen, dann wird Ihnen Little Eva nur eine kräftige Brise in den Rücken verpassen, die Sie schnell nach Hause bringt.«
»Und wenn wir das nicht tun?«
»Was nicht tun?«
»Um vierzehn Uhr abdrehen.«
Der Crewchef lächelte dünn. »Ich würde nicht empfehlen, sich mit einem sechzig Jahre alten Luftschiff in einen tropischen Sturm mit Windgeschwindigkeiten von über achtzig
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