Cyclop
zusehen, nahmen schattenhafte Formen Gestalt an. Das erste Bild, das sich in seinem Kopf festsetzte, war die Vorstellung von Zähnen, schwarzen Zahnstummeln, die mit weißer Zahnpasta geputzt wurden. Allmählich begriff er die Realität: Es waren Felsen, gegen die sich die Wogen in endlosen weißen Explosionen warfen. Pitt sah, wie das Wasser zum Himmel spritzte, wenn die rücklaufende Brandung auf den nächsten Wogenkamm traf. Als die Gischt für einen Augenblick verwehte, entdeckte er ein niedriges Riff, das parallel zu den Felsen einen natürlichen Wall vor einem weißen, weiten Strand bildete. Es mußte die kubanische Insel Cayo Santa Maria sein, sagte er sich.
Sich die neue Gefahr vorzustellen bereitete keine Schwierigkeiten: Körper, die an den scharfen Riffen zerfetzt oder auf den zerklüfteten Felsen zerschmettert wurden. Er wischte sich das Salz von der Taucherbrille und spähte weiter in den Sturm. Dann entdeckte er sie, die Chance von tausend zu eins, der Wucht der Wellen zu entkommen.
Auch Giordino hatte es gesehen – einen kleinen Durchlaß zwischen den Felsen. Er steuerte darauf zu, obwohl er wußte, daß seine Chance weniger als minimal war.
Dann erwischte einer der rückflutenden Brecher sie wie eine Lawine. Die Schraube des Außenbordmotors wirbelte in der Luft, als sie hochgerissen wurden. Ihr Surren wurde jedoch vom Donnern der Brandung übertönt. Gunn öffnete den Mund, um eine Warnung zu brüllen, aber kein Laut war in dem Chaos zu hören. Das Boot stürzte ins nächste Wellental, und der Brecher überrollte es mit der Gewalt einer Lokomotive.
Er riß Gunn wie ein Spielzeug von Bord.
In einer Gischtwolke wurde das Boot über das Riff geschleudert. Die Korallen zerfetzten die Luftkammern von unten : ein Feld von Rasierklingen hätte nicht effektiver arbeiten können.
Für einige Sekunden waren sie völlig unter Wasser. Dann richtete sich das tapfere kleine Gummiboot wieder auf und durchbrach die Wasseroberfläche. Sie befanden sich etwa zwanzig Meter hinter dem Riff im offenen Wasser der Lagune. Gunn tauchte nur wenige Meter neben ihnen auf und schnappte nach Luft. Pitt gelang es, ihn bei den Schultern zu erwischen und an den Riemen seiner Taucherweste an Bord zu zerren. Die Rettung kam keinen Augenblick zu früh. Der nächste Brecher fegte über das Riff wie eine Herde von Bisons auf der Flucht vor einem Präriefeuer.
Giordino hing noch immer grimmig am Ruder des Außenbordmotors, der mit letzter Kraft arbeitete. Man brauchte nicht Hellseher zu sein, um zu wissen, daß die Luftkammern des Bootes zerfetzt waren. Es hielt sich nur mit den Resten der noch nicht entwichenen Luft über Wasser. Sie hatten fast die Lücke zwischen den Strandfelsen erreicht, als die nächste Welle sie packte. Die rückflutende letzte Welle erhöhte diesen Brecher noch, so daß er sich fast doppelt so hoch aufwarf. Er schien immer schneller zu werden, je näher sie dem felsigen Strand kamen.
Pitt sah auf. Über ihm erhoben sich die drohenden Felszacken. Das Wasser wirbelte um sie wie in einem kochenden Kessel. Das Boot wurde von der Brandungswelle hochgerissen, und für einen kurzen Moment dachte Pitt, der Brecher würde sie über die Felsen hinwegtragen.
Aber dann schmetterte das Wasser plötzlich gegen einen Felsen neben dem schmalen Durchlaß, den er eben noch gesehen hatte. Das zerfetzte Boot und seine Insassen wurden in die Luft geworfen und dann in den Mahlstrom gestürzt.
Pitt hörte aus größerer Entfernung Jessies Schrei. Er wollte ihr antworten, aber da verschwamm ihm alles vor Augen. Das Boot wurde so über den Strand gejagt, daß der Motor abriß.
Pitt erinnerte sich an nichts mehr. Ein schwarzer Wirbel öffnete sich vor ihm, und er versank in der Dunkelheit.
23
Der Mann, der die treibende Kraft hinter der Jersey Colony war, lag auf der Couch im Büro des geheimen Hauptquartiers seines Projektes. Er hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich auf die Erinnerung an das Treffen mit dem Präsidenten auf dem Golfplatz.
Leonard Hudson wußte verdammt gut, daß der Präsident nicht einfach stillsitzen und geduldig auf den nächsten Gesprächstermin warten würde. Der Kopf der Exekutive war ein Macher, der nie etwas dem Zufall überlassen hatte. Auch wenn Hudsons Quellen im Weißen Haus und die verschiedenen Nachrichtendienste keinerlei Anzeichen für eine Untersuchung des Jersey-Projekts meldeten, war er sicher, daß der Präsident einen Weg suchte, den
Harten Kern
ans Tageslicht zu
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