Cynster 07 - Nur mit deinen Kuessen
sie ihm folgen würde, egal, wohin er sie führte.
Sie sahen einander an und dachten nach … hofften.
Gyles wusste sehr gut, wo sie standen. Sie bewegten sich auf den Abgrund zu. »Eine Madame Tulane, eine italienische Sopranistin, singt heute Abend auf der Abschlussgala in Vauxhall.« Er zog ein Theaterplakat unter seinem Löschblock hervor.
Francescas Gesicht hellte sich auf. Er reichte ihr das Plakat und beobachtete, wie sie die Einzelheiten verschlang. »Sie kommt aus Florenz! Oh, ich habe schon so lange nichts mehr …« Sie hob den Blick. »Vauxhall - kann ich dort überhaupt hingehen?«
»Ja und nein. Du kannst nur in meiner Begleitung dorthin gehen.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, war aber auch nicht gelogen.
»Nimmst du mich mit?«
Ihre Aufregung war spürbar. Er deutete auf die Regale. »Wenn du mir bei den Referenzen hilfst, können wir sofort nach dem Abendessen aufbrechen.«
»Oh, vielen Dank!« Das Plakat flog durch die Luft. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn.
Es war das erste Mal seit der letzten Nacht oder, um genauer zu sein, seit dem Morgen, dass sie einander berührten.
Sie wich zurück, und ihre grünen Augen begegneten seinen grauen, ohne jede Maskierung, unverschleiert. Dann lächelte sie und setzte sich auf seinen Schoß und dankte ihm in angemessener Weise.
Um die Mittagszeit hörte es auf zu regnen: Vauxhall Gardens war voll von Feiernden, die begierig darauf waren, ein letztes Mal ausgelassen zu feiern. Die Luft war nasskalt; die kleineren Alleen waren dunkel, aber dennoch belebt, und ab und zu zeugten weibliche Schreie von ihrer Anziehungskraft.
Gyles fluchte innerlich, während er Francesca durch das Gewühl steuerte. Wer hätte geglaubt, dass halb London an einem solchen Abend erscheinen würde? Sämtliche Schichten Londons waren vertreten, die Palette reichte von Damen wie Francesca, die in Samtumhänge gehüllt waren, über untadelige, sittsam gekleidete Frauen von Ladenbesitzern, die sich neugierig umschauten, bis hin zu grell geschminkten, mit Federn geschmückten Huren, die in obszöner Weise versuchten, die Aufmerksamkeit der Gentlemen auf sich zu ziehen.
»Wenn wir durch den Säulengang gehen, kommen wir in der Nähe unserer Loge heraus.«
Francesca sah vor sich die quadratischen Umrisse von etwas, das der Säulengang sein musste. Das Gedränge war so dicht, dass sie ständig stehen bleiben mussten. Sie blickte sich um und sah in einigen Metern Entfernung Lord Carnegie stehen.
Seine Lordschaft sah sie ebenfalls. Er richtete seinen Blick auf Gyles und dann wieder auf Francesca. Er lächelte und machte eine Verbeugung.
Dann war er in der Menge verschwunden. Francesca unterdrückte einen Schauder.
Sie erreichten den Säulengang. Gyles ging unter dem ersten Bogen hindurch, gerade als eine Flut von Feiernden in die entgegengesetzte Richtung strömte. Francesca wurde in dem Strom gefangen und von Gyles weggezogen und zurück auf den Weg gedrängt.
Sie glaubte, ihren Halt zu verlieren und zu stürzen. Dann fand sie das Gleichgewicht wieder und versuchte, dem Gedränge zu entfliehen. Dabei wurde ihr weiter Umhang hin und her gezogen.
Plötzlich machten sich Hände an ihren Armen zu schaffen, selbst durch ihren Umhang konnte sie spüren, dass es nicht Gyles war. Sie riss sich los und drehte sich um, aber in dem Gedränge konnte sie nicht sehen, wer sie angegrabscht hatte.
Sie holte tief Luft und versuchte, zurück zum Säulengang zu gelangen. Die Menge teilte sich, und plötzlich sah sie Gyles.
»Gott sei Dank!« Er zog sie eng an sich heran. »Alles in Ordnung?«
Sie nickte und schloss ihre Faust in seinem Mantel.
»Lass uns gehen.«
Gyles versuchte, das Unbehagen, das ihn überkommen hatte, zu ignorieren. Er hielt sie eng an sich gedrückt, während sie durch den Säulengang gingen. Dann kamen sie zur Rotunde, und von dort war es einfacher, denn die Menschenmenge bestand hauptsächlich aus vornehmen Leuten, die weniger dazu neigten zu drängeln.
Wie abgemacht warteten ihre Gäste in der Loge, die sie gemietet hatten. Francesca war jetzt wieder freundlicher gestimmt.
»Danke«, sagte sie, als sie strahlend an seine Seite kam. »Das habe ich nicht erwartet, denn du warst so beschäftigt.«
»Es schien eine gute Idee zu sein.«
Devil und Honoria waren ebenfalls da wie auch seine Mutter, Henni und Horace. Die Markhams und Sir Mark und Lady Griswold, alte Bekannte, die ihm näher gekommen waren, als Francesca in sein Leben getreten war,
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