Cynster 07 - Nur mit deinen Kuessen
Elizabeth stellte Francesca dem ältlichen Butler vor, der Irving hieß. »Der jüngere Irving ist Butler in Gyles’ Haus in London, du wirst ihn kennen lernen, wenn du in die Stadt fährst«, sowie einem adrett gekleideten kleineren Mann, der in Irvings imposantem Schatten stand.
»Und dies ist Wallace, meine Liebe. Er ist Chillingworths Butler und bereits seit vielen Jahren bei ihm. Wenn du jetzt oder irgendwann etwas brauchen solltest, wird Wallace sich darum kümmern.«
Wallace, der nicht viel größer als Francesca war, machte eine tiefe Verbeugung.
»Nun!« Lady Elizabeth richtete das Wort an alle. »Da ihr erst so spät angekommen seid und so lange zusammengepfercht in der Kutsche sitzen musstet, haben wir gedacht, wir ersparen euch die Tortur, die anderen Hochzeitsgäste begrü ßen zu müssen. Sie sind bereits alle da, aber wir haben sie gebeten, sich etwas zurückzunehmen«, sie deutete auf das gro ße Haus, die vielen Empfangszimmer, die jenseits des Saales lagen, »damit ihr euch erst einmal zurechtfinden könnt. Morgen ist noch genug Zeit, alle kennen zu lernen. Wenn ihr jedoch heute Abend noch vorgestellt werden wollt, braucht ihr es nur zu sagen. Eure Zimmer sind fertig, es gibt genügend heißes Wasser, und das Abendessen wird hinaufgebracht, wann immer ihr es wollt.«
Lady Elizabeth hielt ihren Blick fest auf Francesca gerichtet, während diese Charles ansah. »Die letzten Tage waren sehr anstrengend. Wenn möglich, würde ich mich jetzt gerne zurückziehen.« Dass sie einer Reihe entfernter Verwandter sowie den Angehörigen des Landadels und deren scharfsichtigen Ehefrauen, noch dazu ohne ihren Verlobten an ihrer Seite, vorgestellt werden sollte, war eine Zerreißprobe, auf die Francesca gänzlich unvorbereitet war.
Charles und Ester murmelten ihr Einverständnis. Franni sagte nichts: mit großen Augen blickte sie sich staunend im Saal um.
»Natürlich! Das haben wir schon erwartet. Du brauchst deine Ruhe - morgen ist schließlich ein wichtiger Tag, und wir müssen alle in bester Verfassung sein.« Unter Beteuerungen und Aufforderungen, sich zu melden, wenn sie etwas benötigten, führte Lady Elizabeth ihre Gäste nach oben. Auf dem Balkon trennten sie sich: Henni begleitete Ester und Franni, Horace ging mit Charles. Die Gräfin plauderte über belanglose Dinge und führte Francesca über einen weiteren Balkon mehrere Flure entlang. Dann betraten sie ein hübsches Zimmer, in dem ein prasselndes Feuer brannte. Von den breiten Fenstern konnte man über das Hügelland nach Norden blicken.
»Ich weiß, es ist nur für eine Nacht, aber ich möchte, dass du ungestört bist und deine Ruhe hast. Außerdem hast du hier genug Platz, um morgen früh dein Brautkleid anzuziehen. Wenn du von hier direkt zur Kapelle gehst, brauchst du Gyles nicht einmal zu begegnen.«
Francesca sah sich in dem gemütlichen Zimmer um und lächelte. »Es ist wunderschön, vielen Dank.«
Sie war sich bewusst, wie viel Klugheit in Lady Elizabeths Blick lag. »Möchtest du zuerst essen oder ein Bad nehmen?«
»Ein Bad bitte.« Francesca lächelte der kleinen Magd zu, die herbeigerannt kam, um ihr aus dem Mantel zu helfen. »Ich kann es kaum erwarten, diese Kleidung abzulegen.«
Lady Elizabeth gab der Magd Befehle, und diese rannte geschäftig auf und ab und eilte schließlich aus dem Zimmer. Sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, ließ sich Lady Elizabeth auf das Bett fallen und verzog das Gesicht. »Meine Liebe, ich danke dir. Du hast es sehr gut aufgenommen. Ich könnte Gyles den Hals umdrehen, aber …«, hilflos hob sie die Hände, »er musste gehen. Die Angelegenheit war so ernst, dass er sie nicht seinem Vorarbeiter überlassen wollte.«
»Was ist denn geschehen?« Francesca saß in einem Sessel am Kamin, dankbar für die Wärme, die das Feuer ausstrahlte.
»Ein Stück flussaufwärts, aber noch auf Gyles’ Anwesen, ist eine Brücke eingestürzt. Gyles wollte sich vom Ausmaß des Schadens selbst ein Bild machen, um entscheiden zu können, was zu tun ist. Die Brücke ist die einzige Verbindung zu einem Teil des Anwesens. Viele Familien sind dort ihrem Schicksal überlassen. Gyles muss jetzt eine Menge wichtiger Entscheidungen treffen.«
»Ich verstehe.« Und Francesca verstand wirklich. Sie war mit dem Ziel aufgewachsen, die Frau eines Gentleman zu werden, und wusste um die Verantwortung, die mit großen Ländereien verbunden war. Sie schaute zum Fenster hinüber. »Ist es nicht gefährlich, wenn er im
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