Cypherpunks
zur wirklichen Grundfrage zurückführt: Gibt es so etwas wie Information mit negativer Wirkung? Wollen wir also, aus Sicht der Gesellschaft, ein zensiertes Internet, weil das besser für die Gesellschaft ist, oder nicht? Und selbst wenn wir über Kinderpornografie reden, könntest du dagegenhalten: »Warte mal, diese Kinderpornografie wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, den Missbrauch von Kindern, und um das Problem zu lösen, müssen wir es kennen.«
JACOB: Sie liefert also Beweise für das Verbrechen.
JULIAN: Nein, sie sorgt für eine Lobby.
ANDY: Das wäre der radikalste Ansatz, aber wenn es hier um Nazis oder was auch immer geht, musst du schon noch sagen können, worüber wir sprechen. Leute mit Familie werden sich fragen: »Ist es denn nicht besser für die Gesellschaft, die schlimmen Dinge herauszufiltern, damit wir uns an die guten halten können, oder beeinträchtigt dass unsere Fähigkeit, die Probleme zu erkennen, sie anzupacken und uns um sie zu kümmern?«
JÉRÉMIE: Ich glaube, die Lösung ist immer eine andere als Zensur. Wenn wir von Kinderpornografie sprechen, sollten wir nicht mal das Wort Pornografie benutzen – es ist eine Darstellung von Verbrechensszenen des Kindesmissbrauchs. Eine Sache, die man machen kann, ist, zu den Servern zu gehen, die Server lahmzulegen, die Leute zu identifizieren, die den Inhalt hochgeladen haben, um diejenigen zu ermitteln, die den Inhalt produziert haben, die die Kinder überhaupt erst missbraucht haben. Und wann immer du auf ein Netzwerk von Leuten stößt, ein kommerzielles Netzwerk und so weiter, geh hin und verhafte sie. Wenn wir Gesetze erlassen – und wir haben eins in Frankreich, das eine Behörde des Innenministeriums mit der Entscheidung betraut, welche Webseiten geblockt werden –, dann nehmen wir den Ermittlungsdiensten einen Anreiz, das Problem anzugehen, indem sie sagen: »Ach, wir sperren einfach den Zugang zu dem ganzen schlimmen Zeug«, so als würden sie jemandem, der das Problem betrachtet, die Hand vor die Augen halten und ihm weismachen wollen, das Problem wäre damit aus der Welt geschafft. Also, rein aus dieser Perspektive reicht es, finde ich, es so auf den Punkt zu bringen – dass wir alle einer Meinung sind, dass wir diese Bilder aus dem Internet entfernen sollten.
JACOB: Tut mir leid, da zieht sich bei mir alles zusammen. Es ist so frustrierend, das Argument zu hören, das du gerade gebracht hast. Das finde ich zum kotzen, denn du hast gerade nichts anderes gesagt als: »Ich will meine Machtposition benutzen, um meine Autorität über andere Leute durchzusetzen, ich will die Geschichte auslöschen!« Vielleicht bin ich in dieser Sache ein Extremist – und noch in vielen anderen, da bin ich mir sicher –, aber ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster. In Wirklichkeit ist dies ein Beispiel, wo die Auslöschung der Vergangenheit einen Bärendienst leistet. Wie sich herausstellt, haben wir gerade durch das Internet erfahren, dass es in der Gesellschaft eine Epidemie des Kindesmissbrauchs gibt. Das ist es, was wir aus diesem Problem der Kinderpornografie gelernt haben – ich glaube, wir sollten es lieber Kindesausbeutung nennen –, wir haben Beweise dafür gesehen. Es zu bemänteln, es auszulöschen, ist aus meiner Sicht pervers, weil man daraus in Wirklichkeit so viel über die Gesellschaft insgesamt lernen kann. Du kannst zum Beispiel lernen – meine politische Karriere kann ich mir natürlich abschminken, wenn ich diesen Satz beendet habe –, du kannst beispielsweise lernen, wer sie produziert, und du erfährst etwas über die Menschen, die ihr zum Opfer fallen. Es wird den Leuten unmöglich gemacht, das Problem zu ignorieren. Es bedeutet, dass du damit anfangen musst, nach der Ursache zu suchen, die das hervorbringt, also nach den Ausbeutern der Kinder. Ironischerweise könnte etwas Überwachungstechnologie hier nützlich sein, zur Gesichtserkennung der Täter und zum Auslesen der Metadaten der Bilder. Das zu löschen, dafür zu sorgen, dass wir in einer Welt leben, wo es möglich ist, einiges zu tilgen, anderes nicht, die Schaffung solcher Zensurbehörden und polizeilicher Überwachungsämter – das ist eine abschüssige Bahn, auf der wir, wie gesehen, direkt beim Urheberrecht und vielerlei anderen Problemzusammenhängen gelandet sind.
Nur weil es ein edles Anliegen ist, so was zu verfolgen, sollten wir vielleicht nicht den leichten Ausweg wählen, vielleicht sollten wir in Wirklichkeit versuchen, Verbrechen
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