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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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»auf die Liebe.«
    Die kalten Speisen standen schon auf den Tischen. Die richtige Temperatur bekamen sie wahrscheinlich durch Elisets Blicke. Der Rest des Abendessens wurde kurz darauf von Zirhir gebracht. Sein Kopf war dick verbunden, wegen der Schnittwunde, die er von dem zerbrechenden Ölkrug davongetragen hatte. Mit ihm und dem angeschwollenen Cousin Roilant (wie Mevary bemerkte) glich das Haus allmählich einem Spital.
    »Er befürchtet«, sagte Mevary zu Eliset, »daß er einen Zahn verlieren wird.«
    Eliset antwortete nicht.
    »Er befürchtet, daß er außerdem noch eine Ehefrau verlieren wird. Komm, mein Vögelchen. Wenn du ihn schon mit Hilfe magischer Kräfte hier hergelockt hast, mußt du dich jetzt auch mit ihm abfinden.«
    Sie hob den Kopf und starrte Mevary an.
    Er wandte sich ab. »Sieh nur, wie verzweifelt der arme Mann ist. Er will nichts essen und nichts trinken.«
    Eliset stand auf und trat aus dem Pavillon auf die Terrasse. Dort stand sie in der Dunkelheit und beachtete die beiden Männer nicht.
    Mevary grinste. »Koste das Rosinenbrot. Es ist beinahe genießbar.«
    »Es fällt mir sehr schwer -«
    »- zu essen. Dann trink. Lindere Schmerz und Liebespein mit dem Blut der Reben.«
    Lautlos wie eine Gazelle erschien eine zweite weibliche Gestalt auf dem Dach, Jhanna, die eine große Platte mit Fleisch in den Händen trug. Damit kam sie in den Pavillon und setzte sie auf einem der Tische ab.
    Mevary schien das nicht zu gefallen, unter seinem aalglatten Gehabe kam wieder die Grobheit zum Vorschein.
    »Geh und bediene Eliset, aber nicht uns.«
    Jhanna verneigte sich übertrieben tief.
    »Es ist an meiner Herrin, mich fortzuschicken.«
    Ruhig und kerzengrade, wie Eliset draußen auf dem Dach, stand sie vor Mevary.
    »Dann wird sie es tun.«
    Mevary schritt aus dem Pavillon.
    Jhanna, eine schwarze Lilie, neigte sich zu Cyrion herab und streifte ihn dabei mit ihrem duftenden Haar.
    »Herr. Habt Ihr das Fläschchen, das ich Euch gab?«
    »Ah - oh, ja, ich muß es irgendwo haben.«
    »Hier? Wenn ja, dann schüttet das Mittel in den Becher der Hexe. Jetzt ehe sie zurückkommen.«
    »Ich habe schon«, entgegnete Cyrion langsam, wegen seiner geschwollenen Lippen, »Gebrauch davon gemacht.«
    Sie holte tief Atem. Ihre Hände glitten über den Tisch, und um den Schein zu wahren, reichte sie ihm einen Teller mit Brot.
    »Ihr seid klug, Herr. Klug.«
    Cyrion schaute zu einer der Türöffnungen. Mevarys Stimme tönte durch die sternenklare Nacht.
    »Was kümmert mich diese Schlampe?«
    »Schlampe«, flüsterte Jhanna. »Ja, eine Schlampe, aber nur durch ihn. Seid wachsam, Herr. Und achtet auf Euren Becher.«
    Sie glitt hinaus und die Treppe hinunter wie ein Geist.
    Als sie fort war, beugte Cyrion sich vor und betrachtete die Teller und Becher, die vor den drei Plätzen standen. Da Flor nun einmal Flor war, hatte an jedem der drei Becher, obwohl einer zum anderen paßte, der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen. Bei dem, der vor Mevarys Platz stand, fehlte ein ziemlich großes Stück vom Rand und Elisets, der noch unberührt war, hatte einen weißen Fleck am Kelch. Der Pokal, den Zimir für Roilant hingestellt und Mevary gefüllt hatte - beides vor seiner Ankunft - hatte eine raue Stelle am Stiel, die zwar nicht zu sehen, aber gut zu fühlen war.
    Da er nichts essen wollte und alle sich aus einem Weinkrug bedienten, blieb dem Mörder nur übrig, das Gift in seinen Becher zu tun. Nach dem Zwischenfall in Cassireia und den dort geäußerten Verdächtigungen, würde jeder einigermaßen intelligente Mörder darauf achten, daß Cousin Roilants Hinscheiden natürlich wirkte. Natürlich konnte man mit dem Vermögen der Witwe das Gesetz in der gewünschten Weise beeinflussen, aber um die Sache glaubhaft zu gestalten, mußte doch der Schein gewahrt werden. Das bedeutete einen Tod ohne Wunde. Tod durch Gift. Und dazu noch eine Geschichte, um die Sache zu untermauern: Der unglückliche Roilant war von derselben Krankheit befallen worden, an der der Sklave Jobel gestorben war. Es kam häufiger vor, daß in solchen Fällen mehrere Personen dahingerafft wurden.
    Da er noch immer allein war, nutzte Cyrion die Gelegenheit, um an seinem Pokal zu riechen. Er konnte nichts Ungewöhnliches feststellen, aber der aufdringliche Duft der parfümierten Kerze hätte ohnehin jeden anderen Geruch überlagert. Er fragte sich, wer von den beiden sie wohl angezündet hatte.
    Draußen, in der summenden, glitzernden Dunkelheit, standen Mevary

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