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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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schneide dir die Kehle durch und verabreiche dir den Trunk auf diesem Wege.«
    Cousin Roilant schien zu resignieren.
    Als Mevarys Diener ihn losließen, setzte er sich auf und streckte würdevoll die Hand nach dem Becher aus.
    »Herunter damit«, sagte Mevary. »Sei ein artiger Junge.«
    Cyrion legte den Kopf zurück, goß den ganzen Inhalt des Bechers in den Mund, kniff die Lippen zusammen und schluckte würgend.
    Mevary trat zurück.
    Und trat noch weiter zurück, als die plumpe Gestalt mit vorquellenden Augen aufsprang, an ihm vorbeistürmte und - diesmal ohne Stolpern - die Treppe zum Innenhof hinunterlief.
    Johlend flitzten die beiden Diener hinter ihm her. Wenige Augenblicke später gab es Tumult unten im Hof.
    »Wir haben ihn!«
    »Hat versucht, sich den Finger in den Hals zu stecken.«
    Mevary schaute über das Geländer.
    »Ein Schluck«, verkündete er, »ist schon genug. Zu spät, um es wieder auszuspucken. Geh lieber zu Eliset, da hast du deine Bequemlichkeit, um zu sterben.«
    Hannul und Zimir ließen den Unglücklichen los und hüpften vor Lachen zwischen den Brunnen herum.
    Auf dem Dach schob Mevary mit der Eleganz des großen Fechters sein Schwert wieder in die Scheide zurück.
    Eine Viertelstunde danach klopfte der Bräutigam an die Tür seiner Braut und, als er eingelassen wurde, krächzte die romantischen Worte: »Man hat mich vergiftet.«
    »Nein«, erwiderte sie mit Bestimmtheit. »Ich bin diejenige, die man vergiftet hat.«
    Cyrion schloß die Tür und lehnte sich dagegen. Die Schwellung schien zurückgegangen zu sein, und sein Gesicht hatte wieder das normale pausbäckige Aussehen. Er sagte: »Der liebe Cousin Mevary hat mich öffentlich bedroht und mich - wie soll ich sagen? - angefleht, den Becher leerzutrinken, der ursprünglich ihm gehörte. Er hat all meine Pläne vorausgeahnt, scheint es. Der Bechertausch war beabsichtigt.«
    »Außer wir hätten auch deinen Becher vergiftet.«
    »Dann hättest du nicht daraus getrunken.«
    »Wirklich nicht?« Sie betrachtete ihn abweisend. »Ist mein Leben so schön, daß ich Grund hätte, mich daran zu klammern? Vielleicht war mir gleichgültig, was aus mir wird.«
    »Wenn du damit gerechnet hast zu sterben, warum bist du dann für das Brautbett gekleidet?« erkundigte sich Cyrion.
    Eliset starrte ihn einen Moment lang an und wandte sich dann ab. Das halb durchsichtige Nachtgewand und der goldene Schleier ihrer Haare folgten schwingend der Bewegung.
    »Und wenn du glaubst zu sterben, Roilant, warum bist du dann hier?«
    »Man muß«, erklärte Cyrion weise, »seine letzten Minuten schließlich irgendwo verbringen. Warum sollte ich dir das Schauspiel meiner Todeszuckungen ersparen? Vielleicht gelingt es mir dabei sogar, einige deiner spärlichen Möbel zu beschädigen.«
    »Meinetwegen. Bald gehört mir dein gesamter Besitz in Heruzala.«
    »Wirklich?«
    Sie drehte sich wieder zu ihm herum.
    »Oder war vielleicht alles eine Lüge? Vielleicht hast du gar kein Vermögen? Vielleicht wird deine Witwe keinen Pfennig haben?«
    Sie war jetzt beherrscht und atemberaubend schön, der Mittelpunkt des bernsteinfarbenen Kerzenschimmers in einem Raum, der, trotz der offensichtlichen Spuren von Verfall und Armut, durch ihre Anwesenheit geadelt wurde - ein magisches Trugbild?
    »Warum«, meinte Cyrion und setzte sich in einen hochlehnigen Stuhl, »verschönst du mir die letzten Augenblicke nicht mit einigen faszinierenden Enthüllungen. Warum erzählst du mir nicht etwas über Mevary?«
    »Mevary - ist Mevary.«
    »Entschuldige. Ich meinte den ersten Mevary, seinen Vater. Deinen Onkel.«
    Sie raffte die Falten des lose fallenden Gewandes zusammen, so daß es undurchsichtig wurde - eine seltsam anmutende Geste, da sie vorher keine derartige Schamhaftigkeit gezeigt hatte.
    »Er war mein Vormund, bis ich siebzehn wurde.«
    »Das war der Zeitpunkt, als er starb. Wie?«
    »Er ertrank«, antwortete sie leise.
    »Im Meer.«
    »Im Badehaus. Im Heißwasserbecken. Er -« sie wandte den Blick ab und trat ans Fenster. »Er war ein Trinker, und ekelhaft betrunken stieg er ins Bad und ertrank. Ekelhaft, da bin ich sicher.«
    »Du hast ihn von ganzen Herzen geliebt.«
    »Wie du aus meinen Worten entnehmen kannst.«
    »Hast du ihn getötet?«
    »Nein. Hin und wieder hatte ich davon geträumt. Aber ich habe ihn nicht getötet.«
    »Sein Geist geht im Haus um, wußtest du das?«
    »Ich habe davon gehört. Sein Geist. Der der alten Tabbit, meiner Amme. Remusaner in Hülle und Fülle und

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