Cyrion
Vergnügen. Für Mörder ist ihr Vorgehen außerordentlich plump. Ich kann nicht glauben, daß sie in der Wahl des Zeitpunktes raffinierter sind.«
Roilant stierte in seinen Weinbecher.
»Ich habe die Zeremonie vermasselt.«
»Natürlich. Das sollte doch auch so sein. Sie sollte doch in jeder Hinsicht unvollkommen sein. Trotzdem wirkte sie auf den Laien durchaus überzeugend. Übrigens hat mich Euer Gebet fasziniert. Unsere Vereinigung mit dem Paarungsflug der Bienen zu vergleichen. Ihr wißt natürlich, daß nach der Befruchtung die Drohne wie ein Handschuh abgestreift wird und tot zu Boden fällt?«
Roilant war blaß geworden. »Das wußte ich nicht. Wollt Ihr wirklich Eure Rolle weiterspielen? Die Gefahr ist groß.«
»Was wir beide schon seit geraumer Zeit wissen. Der Plan nähert sich dem Höhepunkt. Und es wäre eine Schande, ihnen den Spaß zu verderben.«
»Aber Eliset«, Roilant verstummte. »Heute nacht wird sie sich für Eure Frau halten. Cyrion, Ihr werdet nicht -«
Die langen, mit Henna gefärbten Brauen hoben sich wie Engelsflügel. Der Blick war trotz der Verkleidung so unverwechselbar cyrionisch, daß Roilant nicht anders konnte, als zu grinsen.
»Ich nehme an«, fuhr er fort, »sie ist kaum noch unberührt.«
»Ihr könnt außerdem annehmen, daß es mir kaum erlaubt sein wird, so weit zu gehen.«
Allein in dem Zimmer des Gasthauses, hatte Eliset den Schleier abgenommen, fand aber keine Ruhe. Sie ging zwischen dem Tisch mit dem kaum angerührten Imbiß und dem Fenster, aus dem man nur den Innenhof sehen konnte, hin und her. Ihr Schritt war leicht und beschwingt, in ihren Augen brannte ein kaum bezähmbares Feuer. Nur einmal schaute sie zu dem Bett, das für sie zurecht gemacht war, falls sie den Wunsch hatte, sich niederzulegen. Ohne besondere Betonung, aber laut, sagte sie: »Mit wem auch immer ich heute nacht schlafen werde, Cousin Roilant, du wirst es nicht sein.«
Später am Nachmittag, als ihnen noch ungefähr vier Stunden Tageslicht zur Verfügung standen, um den zwei Stunden langen Weg nach Hause hinter sich zu bringen, verließ die Hochzeitsgesellschaft das Gasthaus. Die Reihenfolge war dieselbe wie bei der Ankunft: vorweg Cyrion wie ein Sack auf seinem Maultier, dann die vier Träger mit der Sänfte und schließlich Harmul. Da ihm ein besseres Vorbild gefehlt hatte, war Harmul betrunken. Die vier angeworbenen Männer waren auch nicht nüchtern. Daher schwebte die kleine Sänfte einigermaßen schaukelnd durch den gewölbten Tunnel und die Straße der Wohlgerüche entlang, inmitten der Weihrauchschwaden und Opiumdämpfe. Anschließend durch die Straße der Vogelhändler, wo Harmul es für angebracht hielt, jedes Zwitschern und Pfeifen nachzuahmen. Nicht viel besser ging es in der Straße der Seidenhändler, wo Harmul äußerst plump einen mit silbernen Sternen bestickten Schal in seinen unrechtmäßigen Besitz brachte, woraufhin ein lautes Geschrei ausbrach und Cousin Roilant mit unwillig gerunzelter Stirn den Händler bezahlen mußte, während er laut darüber nachdachte, was in aller Welt Harmul mit einem Seidenschal anfangen wollte. Harmul gönnte ihm weder eine Antwort noch ein Dankeschön. Sie zogen weiter.
Zwischen den gestreiften Vordächern des Marktplatzes gab es wieder einen Zwischenfall.
Es geschah sehr plötzlich. Ein Korb mit Datteln fiel auf die Straße, dann einer mit Feigen und zum guten Schluß einer mit Orangen. Um die Sache abzurunden tauchte noch der am Rande eines Nervenzusammenbruchs befindliche Früchteverkäufer auf, und ein Käfig mit Tauben machte sich selbständig. Die klebrigen Köstlichkeiten auf der Straße und die flatternden Federbündel in der Luft brachten Roilant samt Maultier einigermaßen außer Fassung, die Sänftenträger wedelten mit den freien Armen, wodurch die Sänfte hin und her schwankte wie ein Schiff auf hoher See, und Harmul klagte Gott und der Welt seine Not. Inmitten von Schmähungen, Zankereien, Gelächter, Früchten und Flaumfedern, stürmte ein untersetzter muskulöser Mann aus der Menge hervor und riß Cousin Roilant von seinem Maultier.
Sie landeten auf den Datteln und rollten grunzend durch den zähen Brei. Der erheiternde Vorfall, den die Zuschauer mit fröhlichen Anfeuerungsrufen begleiteten, bekam ein anderes Gesicht, als ein langes, grausilbernes Messer aufblitzte. Daraufhin schrieen die Leute auf, aber zum Eingreifen fühlte sich niemand veranlaßt. Der kräftige und schwergewichtige Mann hatte den zappelnden Rotschopf
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