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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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tat, was ich ihm aufgetragen hatte. Jetzt würde ich gerne erfahren, wo er ist.«
    »Oh.« Mevary schwieg. Er blinzelte zum Himmel und schaute dann Roilant in die Augen. »Er ist gestern fortgeritten. Wir fanden das eigenartig. Er hat«, fuhr er sehr vorsichtig fort, »Eliset gebeten, seine Frau zu werden.«
    »Ich glaube dir nicht.«
    »Es ist die Wahrheit. Da sie glaubte, er wäre du - welch ein verrückter Einfalt das war, mein Lieber - willigte sie ein.«
    »Ich meinte«, erklärte Roilant schwerfällig, »daß ich nicht glaube, daß der Mann weggeritten ist. Ich glaube, daß er noch hier ist.«
    Mevary breitete die Arme aus.
    »Dann such.«
    »Das werde ich.«
    Mevary blieb der Mund offen stehen.
    »Der Mann, den ich hier hergeschickt hatte, gab sich für mich aus, weil ich einen bestimmten Verdacht hegte. Zuerst hielt ich ihn für unbegründet, aber die Warnungen, die ich erhalten hatte, waren so dringend, daß ich sie nicht beiseite schieben konnte. Man hatte mir gesagt, daß du und - Eliset versuchen würdet, mich zu töten, sobald ich sie geheiratet hatte, um meinen ganzen Reichtum für euch allein zu haben. Für mich steht es fest, daß ihr meinen Stellvertreter für mich gehalten habt, sie ihn daraufhin zu der Heirat bewogen hat und er anschließend ermordet wurde.«
    Mervary schien das zu mißfallen, und er sagte nichts.
    »Sollte ich eines Beweises für deine unlauteren Absichten bedürfen«, fuhr Roilant fort und klang mit jedem Wort lauter und bestimmter, »so wird mir der Tod dieses unglücklichen jungen Mannes, der meine Rolle spielte, dazu verhelfen. Du wirst zugeben, daß ich nur seine Leiche finden muß. Dann werden diese Herren dich und deine - Eliset nach Cassireia begleiten, wo ich schön den Gouverneur unterrichtet habe.«
    Mevary war jetzt ganz entschieden kreidebleich, zeigte aber trotzdem sein Raubtiergebiß und schleuderte Roilant seine letzte Herausforderung entgegen.
    »Wie du gesagt hast. Du mußt nur den Leichnam finden.«
    Die Stimme einer Frau durchschnitt die Luft wie ein gläserner Pfeil.
    »Mevary, bist du tatsächlich ein solcher Optimist? Wenn er so viel weiß, kennt er auch den Rest.«
    Mevary warf den Kopf zurück und sah Eliset auf der Veranda stehen.
    »Sei still, du Hure.«
    »Nein«, brachte Roilant ihn mit ungewohntem Nachdruck zum Schweigen, »sei du still, du Hund ohne Anstand und Manieren. Ich weiß tatsächlich Bescheid.« Er warf nur einen kurzen Blick auf Eliset, die bleich und gefaßt neben verwitterten Elfenbeinpfosten stand, und schaute dann wieder Mevary an. »Du hast den Leichnam in das Grab ihres Vaters geworfen und ihm nicht einmal so viel Ehre angetan, ihn in ein ordentliches Tuch zu hüllen.«
    Mevary wich zurück, ohne daran zu denken, daß er dicht vor dem Brunnen stand. Mit einem Fluch trat er statt dessen einen Schritt zur Seite.
    »Du bist verrückt, Roilant. Wahnsinnig.«
    »Und sie«, fuhr Roilant in ruhigerem Ton fort, »war natürlich damit einverstanden.«
    »Ja«, sagte Eliset. Sie ging die Veranda entlang und kam die Treppe herunter. Ihr Gesicht erinnerte an eine Totenmaske, bis auf einen seltsam mitleidigen Ausdruck. »Ich war einverstanden mit diesem grausigen, würdelosen Begräbnis. Ich bin ebenso schuldig wie er.« Als sie im Hof stand zögerte sie und trat dann einen Schritt in Roilants Richtung. »Als Eure Gastgeberin«, meinte sie, »werde ich Euch führen.«
    Roilant erbleichte. Mevary nicht minder.
    Eliset, die blasser war als beide zusammen, schritt über den tiefer gelegenen Hof vor dem Küchenhaus, durch das Stallgebäude und den Hügel hinauf.
    Roilant ging fünf oder sechs Schritte hinter ihr, dichtauf gefolgt von dem Söldner. Mevary, der halbwegs entschlossen gewesen war zu fliehen (wahrscheinlich in die Obstgärten, nach dem einen großen Schritt in diese Richtung zu urteilen), sah sich von den drei Leibwächtern daran gehindert. Eingedenk der Tatsache, daß noch sechs weitere sich ganz in der Nähe befanden, hatte Mevary sich in sein Schicksal ergeben und ging jetzt einen halben Schritt vor seinen Bewachern. Er zeigte seine Zähne in einem Lächeln, das gleichzeitig Angst und Verachtung ausdrückte. Ausgerechnet von einem Trottel überführt zu werden, war offensichtlich nicht nach seinem Geschmack.
    Sie gingen den sonnenbeschienenen Abhang hinauf, wo der gelbblühende Baum wie ein Signalfeuer leuchtete.
    Eliset trat in das feine Netzwerk seines Schattens, stellte sich zu Häupten der Steinfigur auf und blickte wortlos darauf

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