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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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abzuwarten, schritt Mevary davon.
    Auf halbem Weg in dem steinernen Gang blieb er allerdings noch einmal stehen, wie in Gedanken versunken. Der Gang, ein teilweise überdachter Weg, der früher einmal ein schmaler Hof gewesen war, führte in den inneren Hof mit den ausgetrockneten Springbrunnen. In der Mitte des Ganges, an einer Wand, stand ein alter Brunnen, älter als das Haus, ein beeindruckendes Prachtstück mit gedrehten Säulen und einer Einfassung aus Mosaik. Mevary schien in den Anblick der Blumen und Fische in diesem Mosaik versunken zu sein. Der Brunnen selbst war lange trocken, tot, wie so vieles auf Flor.
    Was genau Mevary zu einem Grinsen veranlaßte, war nicht zu erkennen.
    Mit dem Ende des Tages strömte ein wisperndes Feuer vom Meer heran, wo die Sonne auf der Linie des Horizonts dahintrieb. Purpurne Wolken sammelten sich wie eine Flotte über dem Wasser. Das Meer selbst glühte kirschrot, und dieser Glanz überzog auch die Oberfläche aller anderen Dinge: die Mauern des Hauses, den schiefen Turm, die steilen Klippen. Selbst über der Gestalt Elisets lag ein rötlicher Schimmer. Ihre Gestalt erinnerte in nichts mehr an einen Knaben. Sie hatte sich umgezogen.
    Mevary beobachtete sie, während er unruhig von einer Tür des Dachpavillons zur anderen wanderte. Der Pavillon, ein Achteck, besaß acht Türöffnungen, zu denen einmal acht Türen gehört hatten. Nur noch fünf waren übrig, Türen aus dünnem, fleckigem Elfenbein, und diese standen offen, um den Sonnenuntergang und die Kühle der Nacht hereinzulassen.
    »Was denkst du von ihm, nach zehn Jahren?« fragte Mevary schließlich.
    »Er sieht besser aus. Er ist größer, als ich geglaubt hatte.«
    »Groß?«
    »Ich dachte nicht, daß er so groß werden würde, wie er es jetzt ist. Er hat schöne Hände. Und sein Kinn ist fester geworden.«
    »Im Gegensatz zu seinem Wanst.«
    »Nun«, sagte sie und drehte sich in einem Wirbel aus Stoff und losem Haar, »nicht alle Männer können so schön sein wie du.«
    Mevary lächelte. Er trat aus dem Pavillon und schritt über die Dachterrasse. Erst als ihre Körper sich berührten, blieb er stehen und legte eine Hand an ihre Hüfte, die andere an ihre Brust.
    »Er wird«, mahnte sie, »heraufkommen und könnte uns sehen.«
    »Der Schock würde ihn auf der Stelle umbringen.«
    Eliset lachte ein weiches, sinnliches Lachen und legte ihre Hände um seinen Nacken. »Aber zuerst muß er mich doch heiraten oder nicht? Aber oh -«, murmelte sie, »wie soll ich nach dir mit einem anderen liegen können? Wie?«
    »Bedenke, was wir dadurch gewinnen. Du wirst es tun.«
    »Für dich. Für dich werde ich mich überwinden. Du bist mein einziger Gott, Mevary.«
    Langsam, langsam neigte er den Kopf und noch langsamer genoß er den Kuß, den er von ihren Lippen nahm. Als sein Mund sich von dem ihren löste, war die Sonne untergegangen und ein durchscheinend blauer Wind vom Meer strich auf seinem Weg ins Landesinnere über das Dach.
    Aus dem Dämmerlicht ertönten stolpernde Schritte. Mevary und Eliset glitten auseinander.
    Eine lose Stufe löste sich polternd, und dann erschien ihr Gast taumelnd und keuchend am Kopf der Treppe.
    »Diese Treppe ist gefährlich.«
    »Leider, ja -« Eliset.
    »Oh, leider ja, tatsächlich -« Mevary. »Aber sie hat einen Vorteil; durch den Lärm hört man, wenn jemand kommt.«
    Dann, nach den Geräuschen zu urteilen, war noch jemand im Anmarsch.
    Kaum stand der erste Treppensteiger auf dem Dach, als Harmul auftauchte. Er wirbelte in dem Pavillon herum, brachte die niedrigen Tische durcheinander und entzündete unter beträchtlicher Qualmentwicklung die Kerzen.
    Während die zwei Jungen und der fette Jobel mit Schüsseln und Tellern die Treppe erklommen, hatte Roilant Gelegenheit, Elisets Kleid zu betrachten. Die cremefarbene Seide war mit Perlmutt und Chalzedonen bestickt, der Gürtel, der sich dreimal um ihre Taille schlang und dann noch bis zu ihren Füßen reichte, bestand aus Perlen und purpurner Seide.
    Eliset sagte leise: »Dieses Kleid verdanke ich deiner Güte, Roilant. Ich trage es, um dir zu danken und dich zu ehren.«
    Zimir hob den Deckel von einer riesigen, aber kaum halb gefüllten Schüssel, und eine große Motte stürzte sich aus der Dunkelheit in eine der Lampen.
    Das Essen war interessant, nicht aufgrund der Speisen, sondern wegen der Begleitumstände. Dassin, den Mevary als Roilants Vorkoster bestellt hatte, stopfte alles in sich hinein, was ihm in die Hände viel. Eliset schien

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