D9E - Die neunte Expansion 01: Eine Reise alter Helden (German Edition)
Orangensaft ein, bis zum Rand. Erst dann sah er Roarke auffordernd an, führte das Glas zum Mund und trank.
Roarke setzte sich.
»Nehmen Sie nichts?«, wurde er gefragt.
»Nein.«
»Kein Durst? Hunger vielleicht? Ich kann Sandwiches bringen lassen.«
»Nein.«
»Hm.«
Der Mann leerte sein Glas in einem letzten Zug und stellte es ab, betrachtete es für einen Moment, wie es da auf dem Rauchtisch stand.
»Mein Name ist Bi Rong.«
Roarke war der Name geläufig. Ein Bi Rong war Mitglied im Direktorium. Sicherheit, wenn er sich recht entsann. Passend also.
»Meinen Namen kennen Sie«, erwiderte er dabei und merkte zu seinem Leidwesen, dass die Antwort etwas zittrig rauskam.
Bi Rong nickte. »Ihren Namen und mehr.«
Roarke begann, seine Hände ineinander zu verschränken und zu kneten. Er wusste nichts zu erwidern.
»Sie machen sich Sorgen«, stellte der Sicherheitsminister fest.
»Sollte ich nicht?«
»Was befürchten Sie?«
»Ich bin einem Geheimnis auf die Spur gekommen.«
»Ah, das.«
Bi Rong gestattete sich ein knappes Lächeln.
»Was genau haben Sie herausgefunden?«
»Da steht ein Gerät unter dem Gebetshaus der Hondhisten. Es ist dafür verantwortlich, dass …«
Bi Rong sah ihn auffordernd an, als seine Stimme versagte. Roarke hatte natürlich seine Vermutungen, was dieses Ding verursachte, aber das war nur sein eigener Schluss – basierend auf den Vermutungen der Leute von der Interceptor.
»Ja?«
»Für … es verursacht das seltsame Verhalten.«
»Ah. Das seltsame Verhalten.«
»Die … Unterwürfigkeit …«
»Loyalität«, erwiderte Bi Rong. »Loyalität ist das Wort, nach dem Sie suchen.«
»Ja? Ich bin mir nicht sicher.« Roarke fühlte sich jetzt etwas mutiger. Bi Rong schien nicht die Absicht zu haben, ihn sofort in seine Folterkeller zu schicken.
»Ich halte es für den richtigen Begriff. Was an Loyalität ist seltsam?«
»Wenn sie nicht freiwillig ist … und wenn man sich ihrer Quelle nicht bewusst ist … und sich dann um Dinge windet, ganz normale Gesprächsthemen, ohne eigentlich zu wissen, warum … das ist seltsam.«
Bi Rong neigte den Kopf. »Von Ihrer Warte aus verständlich. Aber für mehr als 99 Prozent der Menschheit – und damit meine ich nicht nur die auf dieser Welt – ist es normal. Ich sage Ihnen, wer seltsam ist, Roarke: Sie sind es!«
Keine Antwort. Roarke schwieg. Es war besser so, da er spürte, wie dieses alte, vertraute emotionale Gemisch in ihm wieder aufstieg, Wut und Hilflosigkeit. Er erinnerte sich an schlaflose Nächte, in denen er sich doch genau das gewünscht hatte: normal zu sein, so zu denken und zu handeln wie alle anderen, sobald das Gespräch auf die Hondh kam, die Welt außerhalb ihres Herrschaftsbereiches und die Art ihrer Macht. Dann könnte er sich endlich darauf konzentrieren, ein Leben zu führen, statt ständig diese Zweifel mit sich herumzutragen, die Erkenntnis, dass es etwas falsch war – aber nur was?
Roarke war nicht wie manch anderer aus dem Verein der Freien dem Alkohol verfallen oder anderen Drogen, die halfen, dieses Anderssein eine Weile vergessen zu machen. Er blieb nüchtern. Und oft wach, die ganze Nacht.
»Sie wissen, wovon ich rede, Roarke«, kommentierte Bi Rong, der ihn aufmerksam und nicht einmal unfreundlich beobachtet hatte. »Ich sehe es Ihnen an.«
»Warum?«, brachte Roarke heraus. Er meinte damit nicht Bi Rongs letzte Bemerkung, und es sprach für die Auffassungsgabe und das Einfühlungsvermögen des Ministers, dass er das auch sofort merkte.
»Es rettet unser aller Leben«, erwiderte der Mann. »Wenn wir das Mentalfeld nicht hätten, würden die Hondh eine andere Art von Herrschaft ausüben, gegen die wir uns dann noch mehr auflehnen würden.«
»Mentalfeld?«
»Ja. Die Details sind nicht wichtig. Es erzeugt auf subtile Art Loyalität.« Er hielt inne. »Bei den meisten jedenfalls.«
Bi Rong erhob sich und wanderte zum Panoramafenster, um einen Blick hinauszuwerfen.
»Vor 500 Jahren«, erklärte er, »als die Hondh ihre Herrschaft über die Erde etabliert hatten, errichteten sie den Mentalfeldgenerator. Er wurde seitdem zweimal verlegt, an seinem jetzigen Standort ist er seit gut 220 Jahren. Mit jeder Generation, die unter dem Einfluss des Mentalfeldes aufwuchs, verringerte sich der Anteil jener, die sich als immun erweisen. Heute sind kaum noch welche übrig. Sie sind eine große Ausnahme, Roarke, Sie und Ihre Leidensgenossen.«
Er sah Roarke an.
»Sie leiden doch darunter, oder? Seien Sie
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