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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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stabilisiert sind, zu uns in ambulante Behandlung.
    Hat der Patient vor allem Probleme mit dem Partner, könnte eine Paar- oder Familientherapie angeraten sein, und wir würden ihn zu einem Kollegen schicken, der ausgebildeter Paar- oder Familientherapeut ist. Paar- oder Familientherapie wird leider nicht von den Kassen übernommen. Häufig sind hier jedoch nicht so viele Sitzungen erforderlich wie bei einer Einzelbehandlung. Es gibt auch Beratungsstellen, in denen Paar- und Familientherapeuten arbeiten, die von kirchlichen oder staatlichen Trägern finanziert werden. Beratung wird dort entweder kostenlos, gegen eine Spende oder einen bezahlbaren, oft einkommensabhängigen Betrag angeboten. Nachfragen lohnt sich auf jeden Fall.
    Vielleicht hat der Patient aber auch in erster Linie Probleme mit seinem Kind, dann schicken wir ihn in eine Erziehungsberatungsstelle oder empfehlen ihm, mit dem Kind zu einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu gehen.
    Auch mit Patienten, die schwer alkohol- oder drogenabhängig sind, arbeiten niedergelassene Therapeuten nicht, da es den Patienten meist nicht gelingt, sich in dem zeitlichen Rahmen einer ambulanten Psychotherapie von ihrer Sucht zu befreien. Sie sind zunächst besser in Kliniken für Suchtkranke aufgehoben. Nach der Kur kann eine ambulante Psychotherapie jedoch unterstützend wirken, vor allem, wenn der Patient zusätzlich regelmäßig eine Selbsthilfegruppe besucht.
    Topf und Deckel – damit es passt
    Therapeuten neigen zu der Annahme, dass gerade ihre Therapieform für jeden Patienten die geeignetste ist. Da ich mich von diesem subjektiven Blick auch nicht ganz freimachen kann, habe ich Kollegen anderer therapeutischer Richtungen um Mithilfe bei der folgenden Einordnung gebeten. Zuerst haben wir da:
    Die Psychoanalyse
    Das älteste psychotherapeutische Verfahren mit etwa einhundert Jahren auf dem Buckel ist die Psychoanalyse, die von Sigmund Freud begründet wurde. Sie ist zugleich die Therapieform, die die meiste Zeit in Anspruch nimmt. In der Regel dauert sie einige Jahre, manchmal mit mehreren Sitzungen pro Woche. Die Psychoanalyse wird für Menschen angeboten, die das Gefühl haben, schon immer an sich selbst, ihren Verhaltensweisen und ihrem Leben gelitten zu haben.
    Es gibt noch immer die klassische Form, bei der der Patient auf einer Couch liegt und der Therapeut neben ihm am Kopfende sitzt. Aber auch in der psychoanalytischen Behandlung ist es mittlerweile häufig so, dass Therapeut und Patient einander gegenübersitzen.
    Hier einige Brocken »Psychoanalytisch«, die wir später noch gut werden brauchen können: Das, was bei vielen Patienten nicht leben darf, alles Spontane, wird in der Psychoanalyse Es genannt. Meist sitzt es eingesperrt in dem bereits erwähnten Abstellraum im Keller. Da einem nicht bewusst ist, dass es dort eingesperrt ist, nennt man dieses innere Kellergeschoss auch das Unbewusste . Man könnte das Es mit einem Kind vergleichen, das lebendig und spontan ist, aber auch wild und unberechenbar, weil es noch nicht gelernt hat, seine Impulse zu kontrollieren.
    Oben im Dachstübchen wohnt ein häufig etwas unangenehmer Zeitgenosse, den die Psychoanalytiker das Über-Ich nennen. Das ist der, der sich bestens mit allen Regeln auskennt, der einem aber auch mit Abwertungen und Beschimpfungen in den Ohren liegt.
    Bei unseren Patienten gibt das Über-Ich meist den Ton an, und das Es hat kaum etwas zu melden. Deshalb muss das eingesperrte Es durch Klopfzeichen auf sich aufmerksam machen. Das sind die Symptome , die der Patient wahrnimmt und die ihn quälen.
    Es gibt auch Menschen, bei denen das Es mehr zu sagen hat als das Über-Ich. Die kommen eher nicht in Psychotherapie, sondern ins Gefängnis. Bei ihnen ist der »Das tut man nicht«-Teil unterentwickelt, und der Teil mit der mangelnden Impulskontrolle regiert im Haus.
    Normalerweise besteht die Rolle des Therapeuten unter anderem darin, dem Über-Ich erst einmal den Schnabel zu stopfen und sich anzuhören, was das Es zu sagen hat. Damit das Zusammenleben im Haus in Zukunft besser klappt, auch zwischen den Sitzungen oder nach dem Ende der Therapie, beauftragt der Therapeut damit den Mieter des Zwischengeschosses, einen gewissen Herrn Ich. Der soll dafür sorgen, dass das Über-Ich und das Es Kompromisse miteinander schließen. Dass das Über-Ich nicht so viel meckert, dass andererseits aber auch das Es den Patienten durch seine spontanen Aktionen nicht in Teufels Küche bringt.
    Von diesem Haus

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